„Keine zeitliche Beschränkung“

Israels Armee will die Hisbollah noch zwei Wochen bekämpfen. Luftwaffe griff bisher 1.000 Ziele an. Mindestens 50 Libanesen getötet

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die USA geben der israelischen Armee Zeit, um die libanesische Hisbollah weiter zu schwächen. Das Weiße Haus will mit der Entsendung von US-Außenministerin Condoleeza Rice in die Region bis kommenden Sonntag abwarten, wobei die Reise noch verschoben werden kann, wie Rice betonte. Das sich abzeichnende Ziel ist die Errichtung einer 15 Kilometer breiten Pufferzone. Unklar blieb zunächst, ob bewaffnete internationale Truppen stationiert werden sollen. Die israelische Armee drang gestern vorübergehend mit Bodentruppen auf libanesisches Gebiet vor. Bei weiteren Bombardierungen starben am Vormittag mindestens 50 Libanesen.

Einen Tag nachdem die israelische Regierung erstmals Einverständnis mit der Stationierung internationaler Truppen signalisierte, traf Außenministerin Zippi Livni gestern mit dem EU-Sonderbeauftragten Javier Solana zusammen. Solana verurteilte die Entführung der beiden israelischen Soldaten durch die Hisbollah, die zu der Militäroffensive vor gut einer Woche geführt hatte, und appellierte an jene, „die Einfluss haben, ihren Beitrag zu leisten, damit die Soldaten wieder auf freien Fuß kommen“.

„Wir warten nicht mit der Stoppuhr in der Hand.“ Israels Verteidigungsminister Amir Peretz betonte, dass der Offensive „keine zeitliche Beschränkung“ auferlegt werden solle. Die Armee geht von „10 bis 14 Tagen“ aus, die nötig seien, um die Schlagkraft der schiitischen Extremisten „deutlich zu vermindern“, so zitiert die liberale Ha’aretz einen hohen Offizier. Die komplette Zerschlagung der „populären religiösen Bewegung“ hielt er für ausgeschlossen.

Die gestrigen Angriffe konzentrierten sich stärker als bisher auf Hauptquartiere und Büros der Hisbollah und auf Abschussbasen vor allem der Langstreckenraketen. Die Luftwaffe hat seit Beginn der Offensive nach eigenen Aussagen mehr als tausend Ziele im Libanon angegriffen. Trotz der intensiven Bombardierungen zeigte die Hisbollah keine Ermüdungserscheinungen. Bis zum frühen Nachmittag gelang es ihr, rund 100 Raketen auf Israel abzuschießen. Allein in Nazareth schlugen vier Raketen ein, die drei Israelis töteten.

Dr. Bruce Maddy-Weizman vom Dayan-Institut in Tel Aviv geht davon aus, dass der Einsatz internationaler Truppen nur Teil einer Lösung sein wird, nicht aber die Lösung selbst. Voraussetzung für die Entsendung von Soldaten aus Drittländern sei, dass sich die Situation vor Ort entscheidend verändert. „Solange die Hisbollah ihre Kämpfer im Südlibanon hat, wird niemand etwas ausrichten können“, so Maddy-Weizman. Auch deshalb hätten es „die Amerikaner nicht eilig damit, das diplomatische Spiel voranzutreiben“. Ohnehin würden die internationalen Truppen „nicht herkommen, um zu kämpfen“. Das würde Israel nicht zuletzt deshalb kaum zulassen, weil dann Gefahr bestünde, dass „wir auf österreichische Soldaten schießen“. UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte Anfang der Woche eine quantitativ wie qualitativ andere Truppe gefordert als die Unifil (UNO-Beobachtungstruppe im Libanon), die derzeit mit 2.000 Männern stationiert ist. Annan hat eine „besser ausgerüstete Stabilisierungstruppe“ im Sinn.

Vorläufig hofft das Weiße Haus darauf, dass Israels Offensive die Kräfteverhältnisse derart verschiebt, dass Beobachtertruppen ausreichen werden. US-Präsident Georg Bush will „die Position der Hisbollah schwächen, damit die libanesische Regierung in die Lage versetzt wird, souverän zu handeln“, so Maddy-Weizman. Dieser Prozess habe mit dem Teilabzug Syriens begonnen.

Die seit mehr als drei Wochen andauernden Gefechte im Gaza-Streifen forderten gestern sechs Tote auf palästinensischer Seite. Die israelische Armee war zuvor mit Panzern in ein Flüchtlingslager eingezogen. Die Invasion ins Zentrum des Gaza-Streifens galt der Suche nach dem im Süden entführten Soldaten Gilad Shalit, so eine Armee-Sprecherin. In Nablus im Westjordanland starben drei Palästinenser bei einem Gefecht mit israelischen Soldaten.