: Das Dilemma des Präsidenten
Barack Obama hat eine „umfassende Einwanderungspolitik“ versprochen – doch die Hispanics wenden sich von ihrem Präsidenten ab
WASHINGTON taz | Auf den ersten Blick sieht die richterliche Verfügung gegen Arizona aus wie ein Erfolg für Präsident Barack Obama. Denn das Verbot der geplanten diskriminierenden Einwanderungspolitik ist zugleich ein Hemmschuh für das wichtigste politische Kampagnenthema der Republikaner und der rechten „Tea Party“. Und Obama hatte die Initiative aus Arizona öffentlich als „verfehlt“ kritisiert. Doch der Präsident steckt auch in einem Dilemma. Denn nachdem er in seinem eigenen Wahlkampf eine „Einwanderungspolitik“ versprochen hat, fehlt ihm seither sowohl die generelle Linie dieser Politik als auch die Mehrheit, um sie im Zweifelsfall im Senat durchsetzen zu können. Die zu einer eigenen Lobby erstarkte Latino-Wählerschaft wendet sich deswegen bereits von ihm ab.
Schon Obamas Vorgänger George W. Bush versuchte sich 2007 an einer „umfassenden Reform der Einwanderungspolitik“. Sie scheiterte. Und selbst jene RepublikanerInnen, die ihren Präsidenten damals unterstützten, haben sich heute abgewandt. Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain ist einer von ihnen. Nachdem er 2007 die „umfassende Einwanderungspolitik“ verteidigte, verlangt er heute eines: Grenzsicherung. Und „keine Amnestie“ für die 11 Millionen Menschen ohne Papiere.
Heute versprechen DemokratInnen eine „umfassende Einwanderungspolitik“. Sie wollen die Grenzen sichern und zugleich die seit Jahren in den USA lebenden und arbeitenden papierlosen Latinos auf eine legale Basis stellen.
Mit Punkt 1 seiner „umfassenden Einwanderungspolitik“ ist Obama problemlos und ungehindert ein großes Stück vorangekommen. Seit er Präsident ist, sind die Abschiebezahlen radikal in die Höhe gegangen. Im Verhältnis zu 2008, Bushs letztem Jahr, werden in diesem Jahr rund 8 Prozent mehr AusländerInnen aus den USA abgeschoben. Insgesamt wird das rund 400.000 Menschen treffen, teilt die zuständige Behörde Migration and Customs Enforcement mit. Ihr Budget zur materiellen Absicherung der mehr als 3.000 Kilometer langen Grenze nach Mexiko hat die US-Verwaltung aufgestockt. Und vor wenigen Wochen hat sie zusätzlich entschieden, weitere 600 Nationalgardisten an die Südgrenze von Arizona zu schicken, um dort illegale Übergänge zu unterbinden.
Bei Punkt 2 der „umfassenden Einwanderungspolitik“ Obamas hapert es. Im vergangenen Jahr sind nur rund eine Million AusländerInnen in dem 300-Millionen-EinwohnerInnen-Land USA zu einer neuen und legalen Aufenthaltsgenehmigung gekommen. Und so wie die politischen Projekte der DemokratInnen und die Mehrheitsverhältnisse im Senat aussehen, ist es nicht wahrscheinlich, dass sich das in absehbarer Zeit ändern könnte.
DOROTHEA HAHN