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Archiv-Artikel

Der runde Kühlschrank von Berlin

Schon im März nächsten Jahres soll der Flughafen Tempelhof geschlossen werden. Doch was folgt nach dem letzten Start? Eine Standortkonferenz sollte am Mittwoch Antworten auf diese Frage finden. Die Teilnehmer waren hinterher so schlau wie zuvor

von UWE RADA

Unfreundlich war an diesem Nachmittag nur der Pförtner. „Erst mal Tag“, schnauzte er, bevor er den Journalisten den Weg wies. „Zur Traumtänzerveranstaltung? Hinten, erster Stock.“

Eine Traumtänzerveranstaltung also? Ganz Unrecht sollte der Pförtner im Flughafen Tempelhof nicht haben. „Was passiert nach dem letzten Flugzeugstart?“, lautete die Frage der „Standortkonferenz“ zur Nachnutzung des Flughafens Tempelhof, die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Mittwochnachmittag eröffnete. Die Antwort nach drei Stunden Statements war eindeutig: Nichts. Zumindest vorerst nicht.

Nun ist die Umplanung eines 386 Hektar großen Geländes wahrlich keine alltägliche Aufgabe. Und auch die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht gerade einfach. Noch immer läuft im Rahmen des Schließungsbeschlusses die Anhörung der Betroffenen, und der Bund als Miteigentümer will erst im Herbst die Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie für das 300.000 Quadratmeter große Flughafengebäude vorstellen.

Doch was hilft der Hinweis auf die Dimension des Projekts, wenn am 31. März des nächsten Jahres der letzte Flieger von Tempelhof startet? Richtig „mulmig“ wird bei dem Gedanken der Stadträtin für Stadtentwicklung in Tempelhof-Schöneberg, Elisabeth Ziemer (Grüne). „Ich seh schon die Bürger, wie sie am Abend der Schließung vor dem Zaun stehen, den Bolzenschneider zücken und das Gelände erobern. Dann haben wir, was wir dort nicht wollen: illegale Autorennen, Hundeauslaufflächen.“

Was wir dort nicht wollen – vielleicht war das der einzige Konsens, der sich am Mittwoch abzeichnete. Die Kunsthistorikerin Gabi Dolff-Bonekämper formulierte ihn so: „Der Flughafen Tempelhof ist sowohl vom Gebäude als auch von der Flughafenlandschaft ein architektonisch und historisch herausragendes Denkmal, das es in diesem Zusammenhang auch gemeinsam zu entwickeln gilt.“ Dolff-Bonekämper sprach sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich gegen eine Bebauung des Flugfeldes aus, wie sie nach der Aufgabe von Flughafenstandorten in Liverpool oder München stattgefunden hatte.

Doch das steht auch gar nicht mehr zur Debatte, wie Senatorin Junge-Reyer feststellte. Selbst der bereits 1999 vorgelegte Entwurf eines „Parks der Luftbrücke“ mit Bebauungen ausdrücklich nur im Randbereich des Geländes ist ihr inzwischen zu viel. „Da kann man auch weniger bauen“, sagte sie. Wichtig ist Junge-Reyer inzwischen vor allem die Funktion des Geländes als „Kaltluftentstehungsgebiet“. „Tempelhof ist der Kühlschrank, der der Stadt frische Luft bringt.“

Doch frische Luft ist ein bisschen wenig, um die Bürger Ende März nächsten Jahres davon abzuhalten, das Gelände zu stürmen, das weiß auch Junge-Reyer. Also sucht sie den Ausweg, in dem sie von Zwischennutzungen spricht und von dosierter Freigabe der Grünflächen. Aber auch das ist nicht ganz einfach, wie Stadträtin Ziemer betonte. „Gerade erst entsteht am Gleisdreieck ein neuer Park. Das muss man erst mal verdauen. Einen zweiten solchen Park auf den Markt zu werfen wäre voreilig.“

Als Befürworter eines weiteren Flugbetriebs in Tempelhof hatte es IHK-Vertreter Jochen Brückmann angesichts dieser Debatte nicht schwer. „Offenbar ist der Flughafen Tempelhof für die städtebauliche Entwicklung Berlins nicht notwendig“, freute er sich. Sein Vorschlag: „Den Flugbetrieb auf eine Start- und Landebahn reduzieren und auf der anderen einen Park bauen.“

Der CDU ist selbst das noch zu wenig. Alexander Kaczmarek, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sagte, mit einem Park in Tempelhof verschenke Junge-Reyer „die Chancen, die der City-Airport dem Wirtschaftsstandort Berlin bringt“. Wer den Flughafen Anfang nächsten Jahres schließe, „ist für die Vernichtung von mehreren hundert Arbeitsplätzen verantwortlich“.

Was den CDU-Politiker wie auch den Pförtner in Tempelhof offenbar euphorisierte, war der Andrang auf Tempelhof zur Fußball-WM. Während der Standortkonferenz war dagegen wieder business as usual. Es startete eine Fokker der dba und ein Jumbolino der SN-Brussels Airline.