Abgang einer furchtlosen Menschenrechtlerin

RUSSLAND Die Vorsitzende des Menschenrechtsrates ist ohne Angabe von Gründen zurückgetreten

Der Rücktritt von Pamfilowa ist ein schwerer Schlag für die Menschenrechtler

BERLIN taz | Ella Pamfilowa, die Vorsitzende des von Russlands Präsident Dmitri Medwedjew einberufenen „Rates für Zivilgesellschaft und Menschenrechte“, ist zurückgetreten. Dies berichtete der Radiosender „Echo Moskaus“ am Freitag.

Niemand habe sie zum Rücktritt gezwungen, ihre Entscheidung sei lange gereift, über die Gründe wolle sie keine Angaben machen, zitiert das Internetportal lenta.ru die Menschenrechtlerin, die seit 2004 dem beim russischen Präsidenten angesiedelten Menschenrechtsrat vorsteht. Nun wolle sie etwas völlig Neues anfangen, etwas, das mit Sicherheit „nichts mit Politik oder dem Staatsdienst zu tun haben wird“. Ella Pamfilowa bedankte sich bei Präsident Dmitri Medwedjew für dessen „kontinuierliche und interessierte Aufmerksamkeit an der Arbeit des Rates“. Sie schäme sich dieser Arbeit nicht, man habe viel mehr erreicht, als man sich jemals erhofft habe.

Der Rücktritt von Pamfilowa ist ein schwerer Schlag für all die Menschenrechtler, die mit ihr einen direkten Draht in den Präsidialapparat hatten, ohne das Vertrauen der Zivilgesellschaft zu verlieren. Die Dinge beim Namen zu nennen, hatte sich Ella Pamfilowa nie gescheut. Als diese Woche die kremlnahe Jugendbewegung „Naschi“ mit als Nazis verkleideten Pappfiguren politisch missliebige Personen an den Pranger stellte, war es Ella Pamfilowa, die sich über diese Art der Denunziation empörte. Und nachdem Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow Anfang Juli Menschenrechtler wie Oleg Orlow von „Memorial“ als vom Westen bezahlte Verräter, Volksfeinde und Staatsfeinde bezeichnet hatte, bat Pamfilowas Menschenrechtsrat unverzüglich Präsident Medwedjew in einem offenen Brief, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Menschenrechtler zu schützen. Kurz nach der Veröffentlichung auf der Homepage des Rates war die Seite einen Tag offline.

Ebenfalls am Freitag erhob die Moskauer Staatsanwaltschaft Anklage gegen Oleg Orlow wegen Verleumdung des tschetschenischen Präsidenten. Und wieder ist die Homepage des Rates offline. BERNHARD CLASEN