: 30-Stunden-Woche für Eltern?
Leben Viele Berufstätige wollen familienfreundlichere Arbeitszeiten. Die 5-Tage-Woche erscheint ihnen zu unflexibel
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Ja
Uwe Hück, 52, IG Metall und Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Porsche AG
Es geht nicht allein um pauschale Arbeitszeitverkürzungen, sondern um Arbeitszeiten insgesamt. Wir brauchen Antworten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Zeitmodelle für Kinder oder Pflegezeiten sowie für Qualifizierung und Weiterbildung. Bei Porsche wurden die Arbeitszeiten in der Produktion als Belastungsausgleich um 1 Stunde auf 34 Stunden pro Woche verkürzt – bei vollem Lohnausgleich. Die Ingenieure können länger arbeiten, auf freiwilliger Basis und mit höherem Entgelt. Dazu können in einem befristeten Korridor die Arbeitszeiten zwischen 20 und 35 Wochenstunden variieren – zum Beispiel für die Erziehung.
Katja Kipping, 36, ist Abgeordnete und Bundesvorsitzende der Partei Die Linke
Die Vorschläge von Ministerin Schwesig und der IG Metall könnten aus der Ideenwerkstatt der Linken kommen. Eltern sind besonderen Belastungen ausgesetzt, da freuen sie sich über jede Stunde mit der Familie. Deshalb habe ich einen Elternbonus im Urlaubsgesetz vorgeschlagen: ein halber Urlaubstag pro Montag. Finanzierbar sind diese Vorschläge, wenn man sich traut, die großen Vermögen und Einkommen angemessen zu besteuern. Wir brauchen Modelle, die sich den Lebensphasen der Beschäftigten anpassen. Denn nicht nur Eltern haben gute Gründe, ihre Arbeitszeit zu reduzieren.
Jutta Allmendinger, 57, Präsidentin Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Deutschland geht in Richtung Vollbeschäftigung. Die Vollzeit von Männern und die Teilzeit von Frauen hat uns gerade noch Zeit für die Kinder gelassen. Diese ungleiche Verteilung von bezahlter Arbeit führt dazu, dass Frauen weniger verdienen, geringere Karriereaussichten haben. Motivierte Beschäftigte gehen verloren. Die Lösung? Eine Senkung der Arbeitszeit und eine faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Zeit zwischen Männern und Frauen.
Chava Johanna Schaller, 23, Erzieherin in Reutlingen und taz-LeserinAls Erzieherin stimme ich der 30-Stunden-Woche zu. Neben den Eltern, die Karriere und Familie unter einen Hut bekommen, gibt es auch Eltern, die mehrere Jobs haben, um ihren Kindern etwas bieten zu können. Warum aber nicht mehr Zeit zusammen verbringen? Nein, die Mehrheit gibt sich mit Hello Kitty und GZSZ zufrieden. Wenn die ArbeitnehmerInnen erst mal Gefallen an weniger Arbeit finden, besteht die Gefahr, dass sie mehr davon haben wollen. Das wollen Politik und Konzernbosse nicht.
Elke Hannack, 52, ist stellv. Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Zurzeit gelingt es den wenigsten Eltern, Beruf und Familie miteinander zu verbinden. Dabei möchten teilzeitbeschäftigte Frauen häufig länger, vollzeitbeschäftigte Frauen und Männer lieber kürzer arbeiten. Doch über Dauer und Lage ihrer Arbeitszeiten können die meisten nicht mitbestimmen. Gerade Alleinerziehende müssen neben ihrer Erziehungsverantwortung den Lebensunterhalt für ihre Familie sichern können. Starre Arbeitszeitregelungen werden der Vielfalt familiärer Lebensentwürfe nicht mehr gerecht.
NEIN
Michael König, 50, Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Bayer AG
Die betriebliche Realität ist heutzutage von variablen Arbeitszeitregelungen geprägt und bedarf keiner starren Vorgabe. So bietet Bayer unterschiedliche Wege, um familiäre und berufliche Aufgaben in Einklang zu bringen. Dazu zählen beispielsweise flexible Arbeitszeitmodelle, betriebliche Kitas sowie Möglichkeiten, von zu Hause aus zu arbeiten. Eine gesetzlich vorgegebene Reduzierung der Arbeitszeit für Eltern dürfte für viele kleine und mittlere Betriebe organisatorisch kaum zu bewältigen sein. Darüber hinaus könnte sich der Fachkräftemangel noch einmal deutlich verschärfen. Anstelle von Vorgaben für die unternehmerische Arbeitszeitgestaltung wären eine bessere Infrastruktur und Erreichbarkeiten von Arbeitsstätten, Schulen und Kitas wünschenswert.
Mario Ohoven, 67, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft Der Mittelstand kann sich weder eine 32-Stunden-Woche ohne Lohneinbußen noch eine gesetzliche 30-Stunden-Woche mit Lohnausgleich leisten. Heute schon macht der Anteil von Steuern und Abgaben an den Arbeitskosten bei uns 50 Prozent aus. In den USA ist es weniger als ein Drittel. Die Ausweitung der Rentenleistungen führt zu einer weiteren Erhöhung. Eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 oder 30 Stunden würde den Fachkräftemangel verschärfen. Bereits jetzt haben 53 Prozent der mittelständischen Unternehmen Probleme, freie Stellen zu besetzen. Jeder dritte Mittelständler findet gar keine geeigneten Mitarbeiter. Mehr Freizeit bedeutet bei Schichtarbeit nicht automatisch mehr Familienfreundlichkeit. Wir plädieren für flexible betriebliche Lösungen.
Lencke Wischhusen, 28, Bundesvorsitzende des Verbandes Die Jungen Unternehmer
Es passt doch alles nicht zusammen. Da fordern die Gewerkschaften eine 30-Stunden-Woche. Gleichzeitig wollen sie die Zeitarbeit und befristete Beschäftigungsverhältnisse einschränken. Wenn aber junge Eltern nur noch 30 Stunden arbeiten, braucht jeder Unternehmer flexible Möglichkeiten, um für die fehlenden Stunden Ersatz zu finden. Ich finde es richtig, dass Eltern Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, doch dafür braucht es kein Gesetz. Die viel häufigere Frage, die sich junge Familien stellen: Wo bringe ich mein Kind unter? Es fehlt immer noch an Betreuungsmöglichkeiten. Außerdem kann der 30-Stunden-Vorschlag – womöglich noch bei vollem Lohnausgleich –dazu führen, dass Arbeitgeber zögerlich werden, junge Frauen und Männer einzustellen, da sie dann per Gesetz teuer werden, sobald sie Kinder bekommen.
Oliver Stettes, 43, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Arbeitsmarktexperte
Die Vorschläge einer staatlich subventionierten 32-Stunden-Woche oder einer tarifvertraglich geregelten 30-Stunden-Woche übersehen, dass familienbewusste Arbeitszeiten in den Betrieben gelebte Praxis sind. So zeigt der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2013, dass Teilzeitbeschäftigung und flexible Arbeitszeitmodelle weit verbreitet und die Beschäftigten bei der Festsetzung der Lage der Arbeitszeit beteiligt sind. Drei von vier Betrieben erlauben individuell festgelegte Arbeitszeitmodelle, um familiäre und berufliche Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren. Es überrascht daher wenig, dass einer Umfrage des Familienministeriums nach 85 Prozent der berufstätigen Eltern im Jahr 2013 mit der Lage und Länge ihrer Arbeitszeiten zufrieden waren.