: Ein Masterplan für den Güterverkehr
Verkehrsminister Tiefensee will ein Gesamtkonzept für Straße, Schiene, Luft und Wasser erstellen. Umweltstandards sollen nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen. Umweltverbände kritisieren die Unterordnung der Politik unter Wirtschaftsinteressen
von BEATE WILLMS
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will die Weichen in der Verkehrspolitik neu stellen – und gemeinsam mit der Wirtschaft einen Masterplan Güterverkehr und Logistik erarbeiten. Hauptziel: ein Gesamtkonzept für alle Verkehrsträger. „Es macht keinen Sinn, Schiene, Straße, Häfen und Flughäfen getrennt zu betrachten“, sagte Tiefensee gestern in Berlin. Dabei müsse man „vom Kunden, also den Unternehmen“ aus denken. „Für den ist entscheidend, dass er mit seinen Märkten über kostengünstige, zuverlässige und effiziente Transportmöglichkeiten verbunden ist.“
Während die Gewerkschaft Transnet den Ansatz begrüßt, stößt er bei Umweltverbänden auf ein Echo, das von verhalten bis empört reicht. „Das ist eine eindeutige Ausrichtung der Verkehrspolitik an den Interessen der Wirtschaft“, sagte BUND-Verkehrsexperte Werner Reh der taz.
„Die Logistikbranche ist eine der wenigen Wachstumsbranchen“, betont Tiefensee. Sie sei bereits jetzt der zweitgrößte Industriebereich, und der Güterverkehr werde weiter zunehmen. Eine besondere Rolle komme Deutschland dabei als Transitland nach Osteuropa zu. So sind schon jetzt 50 Prozent des Güterverkehrs auf den Schienen international.
„Wir wollen die verschiedenen Verkehrsträger integrativ betrachten und so zu mehr Effizienz kommen“, sagte Tiefensee. Nur so könne man das Ziel erreichen, den „Standort zu stärken“. Koordinierungsbedarf bestehe vor allem in den Bereichen Infrastruktur, Vernetzung, Märkte, neue Technologien, Ausbildung und Deregulierung. Stehen soll der Masterplan bis Ende 2007. Dabei werde „die Wirtschaft personelle Ressourcen zur Verfügung“ stellen, sagte Tiefensee. Verbände, Wissenschaft und Gremien der EU sollten in den Prozess eingebunden werden.
Transnet-Vorstandsmitglied Wolfgang Zell hat daran „gar nichts zu kritisieren“. Der Plan enthalte „wirklich sehr gute Ansätze“. Der Güterverkehr auf sämtlichen Verkehrsträgern nehme „so wuchtig zu“, dass sie besser koordiniert werden müssten. Dabei geht Zell davon aus, dass der Bereich Schiene quasi automatisch in den Mittelpunkt rücke. „Der Verkehr auf den Straßen stößt an seine Grenzen“, sagte er. Dagegen könnte ein mehrspuriger Ausbau von Trassen im Schienenverkehr noch jede Menge Wachstum bringen.
Auch Heidi Tischmann, Logistikexpertin beim Verkehrsclub Deutschland (VCD), hält das integrative Herangehen für „sehr begrüßenswert“, will aber darauf drängen, dass die Umweltverbände direkter beteiligt werden. So arbeite der VCD schon seit langem zu diesem Thema. Der Masterplan könne nur funktionieren, wenn er Faktoren wie Spritpreise, die Kosten für den Straßenbau, aber auch die ökologischen und gesundheitlichen Folgekosten berücksichtige.
Dem Verkehrsexperten des BUND Reh ist das bislang vorliegende Tiefensee-Papier genau deshalb „viel zu viel Sprechblase“. Ziel eines Masterplans müsse es sein, nicht nur Trends und Probleme zu identifizieren, sondern auch Prioritäten zu setzen. Das fehle völlig. So gebe es keine Erklärung dazu, wie Tiefensee die Vorgabe aus dem geltenden Bundesverkehrswegeplan umsetzen will, den Anteil des Schienenverkehrs zu verdoppeln. Außerdem verzichte Tiefensee auf jede politische Vorgabe. „Es gibt keinen Verweis auf Grenzwerte bei Lärm und Luftverschmutzung – und auch keine Idee, wie man das gewährleisten will.“ Bis auf einen Punkt: Unter dem Stichwort Märkte heißt es, es sei wichtig, „dass Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden“. Aber auch: „Die Einhaltung dieses Standards soll nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen.“ Für Reh ist das „die Bankrotterklärung der Politik gegenüber der Wirtschaft“.