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Archiv-Artikel

Schneller Arm

LEICHTATHLETIK Matthias de Zordo steigert bei der Europameisterschaft seine Bestleistung um knapp dreieinhalb Meter und holt zur Überraschung auch seines Trainers die Silbermedaille im Wettbewerb der Speerwerfer

„Einfach vorn hinrennen, rechtes Bein stehen lassen und draufdreschen“

MATTHIAS DE ZORDO

AUS BARCELONA SUSANNE ROHLFING

Der Mann, den sie „Zorro“ nennen, ist ein sehr ruhiger Mensch. Sein Trainer Boris Henry beschreibt ihn als jemanden, dem er „die Würmer aus der Nase ziehen“ muss. Nicht aber an diesem Abend. Da sprudeln die Worte aus Matthias de Zordo heraus. Vor allem eins: „Draufdreschen“. Das sagt er gern. Das macht er gern. Und im Speerwurffinale der Leichtathletik-EM hat er es so gut gemacht wie nie zuvor. Das Resultat: 87,81 Meter, Bestleistung, Silber bei der EM-Premiere. Völlig überraschend.

So überraschend, dass es jetzt Bundestrainer Boris Henry ist, dem die Worte fehlen. Er kann kaum glauben, dass der Saarbrückener seine Bestleistung tatsächlich ausgerechnet im EM-Finale um knapp dreieinhalb Meter steigerte. Als seine Sprachlosigkeit etwas nachlässt, sagt Henry: „Das war ein Wettkampf, den ich so nie auf der Rechnung hatte, das war überirdisch.“ Eigentlich sei das Ziel gewesen, unter die besten acht zu kommen. Schließlich plane man langfristig. Bei den Olympischen Spielen 2012 in London, da sollte der 22-Jährige bei Weiten wie dieser angekommen sein. Doch dann war schon im Olympiastadion von Barcelona nur der Norweger Andreas Thorkildsen für De Zordo nicht zu schlagen. In einem spannenden Wettkampf konterte der Olympiasieger den deutschen Newcomer souverän aus und kam auf 88,37 Meter. Tero Pitkämäki aus Finnland wurde mit 86,81 Metern Dritter.

Matthias de Zordo hatte seinen Speer schon im ersten Versuch weiter fliegen lassen als jemals zuvor: 86,22 Meter. „Ich habe es nie geschafft, den anderen mal einen im ersten Durchgang vorzusetzen“, erzählt Boris Henry. Er selbst war als aktiver Speerwerfer 1995 und 2003 WM-Dritter geworden. „Wenn man das kann, ist man ein Großer.“ Dass Thorklidsen seinen ersten Versuch um zehn Zentimeter und seinen Sensationswurf um 56 Zentimeter überbot, fand De Zordo nicht weiter schlimm. Er habe schließlich damit gerechnet. Und: „Gegen Andreas Thorklidsen zu verlieren ist ja keine Schande.“ Zumal, wenn einem selbst drei Topwürfe gelungen sind. Mit 87,06 Metern blieb De Zordo auch im dritten Versuch über seiner ehemaligen Bestmarke. Von einem Glückswurf kann deshalb nicht die Rede sein. Eher von einer Glücksserie.

Bis er 18 Jahre alt war, spielte De Zordo neben der Leichtathletik Handball beim HTC Bad Kreuznach. Da wird er sich einen Schliff seines linken Wurfarms geholt haben, der ihm jetzt zugutekommt. Seit 2007 trainiert der Sportsoldat bei Boris Henry, der sein Talent schon damals erkannt habe und ihn auf Anhieb zum U-20-Europameister machte. „Viele sagen, ich hätte einen besonders langen Beschleunigungsweg und einen sehr schnellen Arm“, sagt De Zordo. Er zuckt die Schultern. Er hat simplere Worte dafür gefunden, wie es geht, den Speer fliegen zu lassen: „Einfach vorn hinrennen, rechtes Bein stehen lassen und draufdreschen.“

Nur drei Deutsche warfen bislang weiter als De Zordo. Raymond Hecht, der Halter des deutschen Rekords (92,60 Meter), Boris Henry (90,44) und Peter Blank (88,70). Dass Matthias de Zordo eines Tages an diesem Trio vorbeiziehen wird, davon ist sein Trainer jetzt überzeugt. Boris Henry wagt sogar einen verwegen anmutenden Vergleich mit dem Tschechen Jan Zelezny, der dreimal Olympiasieger und dreimal Weltmeister wurde und seit 1996 mit 98,48 Metern den Weltrekord hält.

„Matthias hat ein von Gott gegebenes Talent“, sagt Henry. Er könne mit seinem Körper einen Spannungsbogen aufbauen wie kaum ein anderer. In Sachen Kraft und Schnelligkeit sei De Zordo der Schlechteste seiner Bundeskader-Athleten. Aber darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, dass der Speer fliegt. Also traut Henry de Zordo zu, eines Tages den Weltrekord zu knacken? „Warum nicht“, sagt der Trainer, „nach heute traue ich ihm alles zu.“