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Archiv-Artikel

Der ungeliebte Zyniker

DOKUMENTATION Er ist für viele das Sinnbild des kalten Kapitalisten: In „Die Welt des Josef Ackermann“ wird einer der mächtigsten Wirtschaftsführer vorgeführt (21.00 Uhr, ARD)

Ackermann wirkt unbedarft und arrogant

VON JENS MÜLLER

So könnte auch der „Wall Street“-Fortsetzungsfilm von Oliver Stone anfangen: Manhattan in New York, aus der Luft betrachtet. Großes Kino. Dann wird der Filmtitel eingeblendet: „Die Welt des Josef Ackermann“. Der Deutsche-Bank-Chef als Wiedergänger des legendären Finanzhais Gordon Gekko. Wer die Bilder so liest, liegt nicht falsch – jedenfalls nicht hinsichtlich der Botschaft von Filmautor Hubert Seipel an seine Zuschauer. Dass der Titel in Handschrift daherkommt, ist eine schöne kleine Ironie, die man erst viel später versteht, wenn Ackermann in einer Ansprache an seine Aktionäre erklärt, „dass wir unser Motto ‚Leistung aus Leidenschaft‘ in Handschrift schreiben – quasi als persönliches Versprechen von uns allen gegenüber allen unseren Kunden.“

Dieses Beispiel veranschaulicht ein wesentliches Konstruktionsprinzip des Films: Ackermann, der Interviews gegeben und sich etwa auch im Büro oder Auto – nicht aber zu Hause – hat filmen lassen, sagt etwas. Das Gesagte wird von Grimme- und Deutsche Fernsehpreisträger Seipel kommentiert, immer mit einer ordentlichen Portion Süffisanz und Sarkasmus; immer auf der – natürlich wohlfeilen – Seite des kleinen Mannes (respektive Anlegers).

Neue, bislang nicht bekannte Tatsachen hat Seipel nicht zu bieten. Dafür führt er Ackermann und die Finanzbranche auf sehr unterhaltsame und gekonnte Weise vor. Nicht zum ersten Mal redet Ackermann ungeschicktes Zeugs, etwa wenn er sich rückblickend seinen Reim auf die Mannesmann-Affäre macht, die ihm seinerzeit einen Strafbefehl über 3 Millionen Euro einbrachte. Sein Unrechtsbewusstsein hört sich heute so an: „Ich finde, dass wir damals bei Mannesmann, als wir über die Vergütungen entschieden haben, den Zeitgeist, der sich ja damals gerade geändert hat, zu wenig berücksichtigt haben. Das war sicher falsch.“ Ackermanns Vorvorgänger als Deutsche-Bank-Chef, Hilmar „Peanuts“ Kopper, erläutert ganz nebenbei die Finanzkrise aus Sicht der Banken: „Exzesse passieren. Die Frage ist: Liegt es daran, dass Alkohol verkauft wird, oder liegt es daran, dass es Säufer gibt?“

Da ist Ackermann intellektuell schon einen Schritt weiter. Er hat erkannt, dass der Boss der größten Bank des Landes besser nicht als der größte Zyniker des Landes wahrgenommen werden sollte: „Und ich muss sagen, ich kann heute noch schlecht an jemandem vorbeigehen, der zum Beispiel um Geld bittet.“ So eine schöne Vorlage lässt sich Seipel natürlich nicht entgehen. Er zeigt Ackermanns durch die Straßenschluchten Manhattans gleitende schwarze Limousine und textet: „Josef Ackermanns Hilfsbereitschaft hat nur ein Problem: Er geht an keinem Armen mehr vorbei – er fährt.“

In Seipels Film dreht sich zwar alles um die Finanzkrise und die Verantwortung der Banken, aber die eigentliche Frage, die der Film aufwirft, ist eine ganz andere: Wie kann es nur sein, dass „der Banker dieser Zeit“ (Kopper) in seiner Öffentlichkeitswirkung immer wieder so schlecht dasteht? Ohne Intelligenz, Urteilskraft und Abgebrühtheit könnte er doch beruflich nie so weit gekommen sein. Über die hinreichenden Lebens- und Medienerfahrung müsste er inzwischen auch verfügen. Und trotzdem changiert das Bild, das er abgibt, immer irgendwo zwischen unbedarft und überheblich. Das ist schon erstaunlich.

Der wirtschaftliche Erfolg der Deutschen Bank mag auch darauf beruhen, dass sie ihren Mitarbeiterpool in den vergangenen Jahren „gesundgeschrumpft“ hat. Aber eines ist ganz klar: Josef Ackermann braucht mehr PR-Leute! Viel mehr!