: Alles was Stunk macht
PROZESS Franz Robert St. hat im Oktober einen Trolley mit Spiritus übergossen und angezündet – im Foyer der Bremischen Bürgerschaft. Es hätte ein Zeichen des Protests sein sollen, sagt er vor dem Amtsgericht
Zwei Jahre Freiheitsstrafe, zur Bewährung ausgesetzt, wegen versuchter schwerer Brandstiftung: Dieses Urteil hat Amtsrichterin Julia Krause-Junk am Montag gegen Frank Robert St. verhängt. Der 57-Jährige hatte vergangenen Oktober im Foyer der Bürgerschaft einen Trolley mit Spiritus übergossen und angesteckt. „Ich musste zweimal nachzünden mit dem Feuerzeug“, erläutert er. Es drohte zu verlöschen – und sollte doch „eine Protestaktion sein“.
Sein Basecap ist von einem ausgewaschenen Rot. Frank-Robert St. hat es vor sich auf den Tisch gelegt, später zieht er es einmal hervor, um an ihm zu veranschaulichen, wie hoch die Flammen wirklich waren. „Das war nur so“, zeigt er mit Daumen und Zeigefinger, der Rand der Kappe ist dabei die Oberseite des Trolleys. Sich selbst beschreibt er als einen Sonderling. „Ich habe schon eine ganze Reihe Marotten“, sagt er.
Die Gutachter halten Frank Robert St. nicht für besonders bedrohlich. Beide diagnostizieren eine krankhafte Persönlichkeitsstörung. Zu der gehöre, dass er die nicht wahrhaben will. Nicht auszuschließen, dass sich seine Tat aus ihr speist. Der eine Psychiater benutzt den Begriff Kohlhaas-Syndrom, benannt nach einer Novelle Heinrich von Kleists: Michael Kohlhaas ist ein grundsolider Rosshändler, dem die Obrigkeit die Pferde stiehlt und zu Schanden macht. Er will Gerechtigkeit, das treibt ihn an, seine stets vergebliche Forderung nach Genugtuung wächst und wird zur Wut und zur Tat, zur Gewalt. „Ich konnte damit nicht mehr leben“, sagt Frank Robert St.. Es geht nicht mehr weiter für ihn, als er im Herbst 2013 glaubt, entdeckt zu haben, dass seine Renten-Akte manipuliert wurde, das war der Auslöser.
Die Vorgeschichte ist lang und verwickelt. Der Mann, der nach zwei schlimmen Unfällen schon 1991 als erwerbsunfähig gilt, liegt im Dauerclinch mit der Sozialbehörde. Der beginnt spätestens, als die Hartz-Reformen aus seiner Erwerbsunfähigkeitsrente eine Erwerbsminderungsrente machen. Dann wird noch seine Diagnose von Amts wegen angezweifelt.
Zu verhängten Zwangsarbeitsmaßnahmen geht er, herzkrank, nicht hin. Zwischendurch, im Juni 2008 lässt das Amt ihn sogar völlig mittellos, 16 Tage lang. Immer mal wieder werden Sanktionen verhängt, man kürzt die Grundsicherung, zwackt ihm 30 Prozent vom menschenwürdigen Existenzminimum ab.
„Die haben mir das Geld abgedreht, und das Wasser und die Luft zum Atmen“, sagt der Angeklagte. „Die wollten mir richtig übel, die SPD und die Grünen und Frau Rosenkötter.“
Und als dann die Sache mit dem falschen Datum in der Renten-Akte kommt, hat er den vagen Plan, den er schon seit Jahren mit sich herumträgt, in die Tat umgesetzt. Er hat eine Bananenkiste in einen blauen Müllsack gesteckt, hat einen Kanister mit ein paar Litern Diesel in den Karton gestellt, Fahrradschläuche und Tüten, alles was Stunk macht, und alles festgeschnallt aufm Trolley-Gestell. Damit ist er dann zur Bürgerschaft gezockelt.
Im Prozess sagt der Brandgutachter, dass sich der Täter beim Versuch, den Spiritus anzuzünden, selbst hätte verbrennen können. Doch statt einer Stichflamme huschen bloß blaue Zünglein übers Gefährt. „Kaum zu sehen“, sagt eine Zeugin. „Weg da, da ist eine Bombe drin!“, habe er gerufen, gibt der Angeklagte zu. „Ich dachte, das scheitert komplett“, sagt er, „das wäre ja nur lächerlich gewesen.“ Staatsanwalt Hilâl Öztürk hält es trotzdem für ein Verbrechen, das er mit Knast bestraft sehen möchte, ohne Bewährung, spricht von einem Sprengstoffanschlag. „Hanebüchen“ nennt Pflichtverteidiger Christian Rosse diese Einschätzung. Benno Schirrmeister