Zum Studieren nach Weimar oder Cottbus

Wegen des anstehenden „Studentenbergs“ will sich Niedersachsen für eine Abiturientenverschickung nach Ostdeutschland einsetzen. Die oppositionelle SPD hält diesen Plan jedoch für „kompletten Wahnsinn“

Das Wort klingt nach der berüchtigten „Rentnerschwemme“. Dagegen ist das Phänomen des „Studentenbergs“, der in den kommenden Jahren auf die Republik zukommt, eigentlich durch und durch positiv: Die Kultusminister der Länder rechnen damit, dass sich die Zahl der Studierenden in Deutschland von derzeit etwa 1,9 Millionen bis 2014 auf 2,7 Millionen erhöhen wird.

Die große Frage ist, wie sich die Länder auf den Ansturm der Wissbegierigen vorbereiten, denn die Kurve der Studierwilligen fällt wieder ab, wenn die geburtenstarken Jahrgänge auslaufen und wegen der Schulzeitverkürzung keine doppelten Abiturjahrgänge mehr an die Hochschulen drängen. Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) schlägt nun eine große Kinderverschickung Richtung Ostdeutschland vor: Anstatt dort wegen zu geringer Auslastung Kapazitäten an den Hochschulen abzubauen, sollten Niedersachsens Studierende sich doch in Weimar, Greifswald, Cottbus oder Leipzig einschreiben. „Wir sind bereit, zu helfen“, sagte Stratmann der Hessisch- Niedersächsischen Allgemeinen. Allein in Niedersachsen werden im Jahr 2011 etwa 55.000 Schüler die allgemeine Hochschulreife erlangen, das sind mehr als doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.

Geldzusagen für die ostdeutschen Länder sieht der Minister damit nicht verbunden. „Wir müssen mit Bund und Ländern eine gemeinsame Regelung finden“, sagt Stratmanns Sprecherin Meike Ziegenmeier. Die Gespräche liefen noch. Wie Weststudenten trotz des weiterhin schlechten Images der Ost-Universitäten zum Immatrikulationsamt getrieben werden sollen, ist bislang unklar. Allerdings plane das Land ein ganzes Maßnahmenbündel, um der Flut zu begegnen. Dazu gehört etwa, Professoren erst mit 67 in Pension zu schicken. Außerdem soll an Niedersachsens Hochschulen künftig mehr gelehrt und weniger geforscht werden. An zusätzliche Mittel für Hochschulen, wie sie nicht nur die Uni-Rektoren fordern, ist weiterhin nicht gedacht.

„Politisch ist Stratmanns Plan kompletter Wahnsinn“, sagt der Sprecher der SPD-Fraktion im hannoverschen Landtag, Tobias Dünow. „Er soll sich lieber um mehr Geld für Niedersachsens Hochschulen kümmern.“ Niedersachsen sei ein Land mit einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Abiturienten wie Studierenden. Zudem habe die CDU/FDP-Landesregierung seit 2003 etwa 4.000 Studienplätze abgebaut. Auch die Studiengebühren, die ab kommenden Semester erstmals eingeführt werden, wirkten abschreckend auf Studienanfänger. „In dieser Situation“, sagt Dünow, „müssten wir eigentlich dazu übergehen, anderen Ländern Studenten abzuwerben.“ KAI SCHÖNEBERG