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Archiv-Artikel

Unsterblich durch die Jahrhunderte

REMAKE Mit „Sleepy Hollow“ und „Beauty and the Beast“ starten zwei US-Serien, die auf bekannten Stoffen basieren. Das hat Tradition

Internationalität ist für den Geschäftserfolg einer Serie wesentlich

VON HARALD KELLER

Sie sind erwacht, wurden aufgeschreckt oder reanimiert. Klassische Fabelwesen, aber auch Figuren aus jüngeren Mythologien: Dracula und Jack the Ripper, Norman Bates und Hannibal Lecter, Sherlock Holmes und die Drei Musketiere. Notorische Wiedergänger sind sie ohnehin – natürlich auch in Fernsehserien.

Gleich ob historisch angelegt oder in die Gegenwart verpflanzt, die Erzählhaltung der Remakes ist modern. Oder postmodern, forciert vorgeführt in der Serie „Once Upon a Time“ – gerade in zweiter Staffel bei Super RTL –, wo sich die Märchenfiguren Schneewittchen, Peter Pan, Pinocchio und Robin Hood im selben Kosmos tummeln. Im Februar nun feiern zwei weitere Serien im deutschen Fernsehen Premiere, die sich alter Märchenstoffe bedienen: „Sleepy Hollow“ ab 5. Februar bei ProSieben. Zwei Tage darauf folgt bei Kabel 1 „Beauty and the Beast“.

Die Aneignung klassischer Erzählstoffe hat Tradition. Bram Stoker passte in seinem Roman „Dracula“ volkstümliche Vampirsagen dem Zeitgeschmack des viktorianischen Bürgertums an; Cole Haddon macht den Blutsauger in seiner gleichnamigen TV-Serie von 2013 zum kapitalistenfeindlichen Rächer. Der Wiedererkennungswert der positiven wie negativen Helden garantiert von vornherein eine gewisse Aufmerksamkeit und schafft Anknüpfungspunkte beim Publikum. Ein entscheidender Vorzug auch bei der internationalen Vermarktung der Serien.

Ob eine US-Serie auf dem deutschen Markt funktioniert, hängt davon ab, wie allgemeinverständlich sie ist. Serien beispielsweise über das politische System der USA haben es außerhalb des Produktionslands eher schwer. „The West Wing“ war in Deutschland gar nicht zu sehen, „Welcome Mrs. President“ mit Geena Davis als US-Präsidentin fand kaum Zuschauer, ebenso erging es jüngst dem US-Remake der britischen Serie „House of Cards“.

Schon 2010 formulierte RTL-Serienredakteur Nic Hainzl in einem Pressegespräch die Erkenntnis: „Wenn Sie eine Serie ins Programm nehmen, die vielleicht brillante Bücher aufweist, aber sehr, sehr viele amerikanische Themen hat, dann interessiert das die Zuschauer hier nicht.“ Internationalität ist für den Geschäftserfolg also wesentlich. Eine Ausstrahlung in den US-amerikanischen Fernsehketten bringt vielen Produktionsfirmen kaum mehr als die Entstehungskosten ein. Die Adaption bekannter Mythen ist da hilfreich. „Sleepy Hollow“ und „Beauty and the Beast“ entsprechen diesem Prinzip.

Die Gruselmär „The Legend of Sleepy Hollow“, bereits popularisiert durch Tim Burtons Verfilmung von 1999 mit Johnny Depp in der Titelrolle, wurde im frühen 19. Jahrhundert von Washington Irving verfasst. Die Serie „Sleepy Hollow“ nun verlängert Irvings Erzählung in die Gegenwart.

Ichabod Crane (Tom Mison), Geschichtsprofessor aus Oxford, kämpft im Jahr 1781 gegen die Aufständischen in den nordamerikanischen Kolonien, schlägt sich auf die Seite der Rebellen und unterstellt sich dem Kommando General Washingtons. Während einer Schlacht köpft Crane einen geheimnisvollen maskierten Reiter. Beider Blut vermischt sich, ein Vorgang, der Cranes künftiges Schicksal bestimmen wird. Als er aus der Bewusstlosigkeit erwacht, findet er sich im Jahr 2013 wieder. Auch der kopflose Reiter hat überlebt.

Pfiffig paaren die „Sleepy Hollow“-Autoren Traditionen der angelsächsischen Gruselliteratur mit Themen der Gegenwart. Ichabod Cranes Begegnungen mit den Segnungen des 21. Jahrhunderts erlauben es ihnen, die heutige Gesellschaft aus dem Blickwinkel eines Fremden zu erkunden. Crane kann nur staunen, als ihm eine Frau in Hosen als Polizistin gegenübertritt, die noch dazu eine schwarze Hautfarbe hat. Das heute Selbstverständliche wird als Ergebnis eines langwierigen gesellschaftlichen Fortschritts kenntlich. Eine Form der dezenten politischen Bildung.

Historische, popkulturelle, literarische und folkloristische Anspielungen heben das Vergnügen. Einiges dürfte allerdings durch die Synchronisation verloren gehen. Cranes gepflegtes Oxford-Englisch unterscheidet sich hörbar vom saloppen Amerikanisch der anderen Figuren. Und weil der kopflose Reiter hessischer Herkunft ist, sind in der Originalfassung auch deutsche Sätze zu hören. Der Effekt verpufft freilich, wenn ausschließlich Deutsch gesprochen wird.

Im Fall von „Beauty and the Beast“ war eine Serie gleichen Titels mit Linda Hamilton und Ron Perlman in den Hauptrollen bereits 1987 außerordentlich erfolgreich. In der Neuauflage von 2012 steht Catherine Chandler (Kristin Kreuk) Vincent, dem Biest, als Kriminalpolizistin gegenüber.

Der Arzt Vincent Keller (Jay Ryan) hatte sich freiwillig zur Armee gemeldet und wurde dort Opfer eines Genexperiments. Statt die Probanden zu stählen, verwandelte der Eingriff sie zeitweise in reißende Bestien. Das Militär ließ die betroffenen Soldaten töten. Nur Vincent konnte untertauchen und sucht nach einem Gegenmittel. Doch er hilft – wenn Menschen in Not sind – auch der Polizistin, der er nicht zum ersten Mal begegnet.

Als sie in Datenbanken nach Informationen über den geheimnisvollen Retter sucht, gerät auch sie ins Visier der Mörder, die sich – so aktuell können Serien sein – überall einklinken, wo Telekommunikation betrieben wird.

■ „Sleepy Hollow“, ab 5. 2., 22.15 Uhr, ProSieben

■ „Beauty and the Beast“, ab 7. 2., 21.15 Uhr, Kabel 1