: US-Privatknast wird zum Börsenliebling
Illegale Einwanderer sollen in den USA im Gefängnis landen. Weil Staatsknäste voll sind, boomt die Gefängniswirtschaft. Auch in Deutschland wollen einige Bundesländer den Strafvollzug teilweise privatisieren, um die Betriebskosten zu senken
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
In der hitzigen US-Debatte über Immigranten, die ohne Papiere in die USA einreisen, gibt es schon jetzt einen Gewinner: private Gefängnisbetreiber. Ihre Aktien steigen seit Wochen.
US-Analysten wie Jeffries & Company raten Anlegern, „corrections stocks“, also Gefängnis-Aktien, zu kaufen. „Private Unternehmen positionieren sich jetzt als Anbieter und sind gut aufgestellt, die Mehrheit der neu benötigten Gefängnisplätze bereitzustellen“, sagt Anton High, ein Berater bei Jeffries & Co.
Die Rechnung ist einfach: Laut Schätzungen leben in den USA rund 12 Millionen illegale Migranten, Tendenz steigend. Der US-Kongress hat im Frühjahr 2006 beschlossen, die Grenzsicherheit zu erhöhen und härtere Strafen bei illegalem Grenzübertritt zu verhängen. Bisher wurden die allermeisten Delinquenten einfach am nächsten Tag zurück nach Mexiko gefahren, ohne juristische Verfolgung. Doch nun sollen sie inhaftiert werden. Das US-Büro für Immigration und Grenzsicherheit rechnet bis zum Herbst 2007 mit 27.500 Verhaftungen an der Grenze – pro Nacht. Das wären im Schnitt 6.700 mehr, als gegenwärtig jede Nacht festgesetzt werden. Eine Gefängnisnacht kostet den Staat durchschnittlich 95 Dollar. Auf das Jahr gerechnet muss der Staat 1 Milliarde Dollar für die Abstrafung der illegalen Einwanderer ausgeben.
Private US-Gefängnisbetreiber reiben sich schon jetzt die Hände – und investieren. Allen voran die beiden Großen der Branche, die „Corrections Corporation of America“ und die „Geo Group“ , die zusammen knapp 20 Prozent Marktanteil am 4-Milliarden-Dollar-Business der Bestrafungswirtschaft halten.
Die Zeit ist günstig, denn der Bund hatte angekündigt, über die bereits existierenden 16 Bundesgefängnisse hinaus selber keine neuen errichten zu wollen, obwohl die bestehenden vollständig belegt sind. Das bedeutet, dass der größte Teil des Geldes für zusätzliche Gefängnisplätze wahrscheinlich an private Betreiber gehen wird.
Die Wall Street hat vom Boom der Gewahrsams-Industrie natürlich längst Wind bekommen. Seitdem US-Präsident George Bush in einer Februar-Rede ankündigte, zukünftig mehr für die Verwahrung Illegaler auszugeben, stiegen die Aktien der Corrections Corporation um knapp 30 Prozent, Geos Aktien sogar um 68 Prozent.
Ihre Gewinne steigern die Knastkonzerne auch auf Kosten der Gefangenen. „Private Betreiber haben einen unternehmerischen Geist in dieser Branche entfesselt, der ungesund ist für dieses Land“, beklagt Judith Greene, Direktorin der Non-Profit-Forschungsorganisation „Justice Strategies“. „Standards werden regelmäßig unterschritten, um Kosten einzusparen.“ Migrantenanwälte berichten, dass in den Privatzellen die medizinische Versorgung, funktionierende Telefone sowie der Umgang mit den Migranten, die laut Gesetz nicht per se Kriminelle seien, oft zu wünschen übrig ließen. Corrections Corporations’ Gewinn aus der Migrantenverwahrung stieg im Jahr 2004 um 21 Prozent auf insgesamt 95 Millionen Dollar. Mit einer „sicheren und wachsenden Gewinnmarge“ von knapp über 20 Prozent, wie Analyst High errechnet hat.
Auch in Deutschland bemühen sich Bundesländer wie Hessen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen, die Ausgaben für den Strafvollzug zu senken, indem sie mit privaten Firmen kooperieren. Vorreiter Hessen hat im Januar das erste teilprivatisierte Gefängnis für 500 Insassen eröffnet. 45 Prozent der Beschäftigten der JVA Hünfeld stellt der englische Dienstleistungskonzern „Secro“. Dessen Mitarbeiter kümmern sich um die Verpflegung, Reinigung und den Betrieb der anstaltseigenen Werkstätten. Hoheitliche Aufgaben wie die Sicherheit bleiben jedoch in staatlicher Hand.
Anders in NRW: Dort werden im Abschiebegefängnis der JVA Büren seit 12 Jahren Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen eingesetzt.
Weitere teilprivatisierte Gefängnisse sollen bis 2008 in Baden-Württemberg und 2009 in Sachsen-Anhalt folgen.