: Karlsruher Richter gespalten
MILITÄR Im Streit über den Einsatz der Bundeswehr gegen Terrorangriffe will der Zweite Senat des Verfassungsgerichts Amtshilfe mit Jagdbombern erlauben. Erster Senat dagegen
VON CHRISTIAN RATH
Der Einsatz der Bundeswehr im Innern könnte bald auch ohne Grundgesetzänderung möglich sein. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht will, dass „Amtshilfe“ auch mit militärischen Waffen möglich ist. Allerdings hat der Erste Senat des Gerichts inzwischen Widerspruch angemeldet. Dieser Senat hatte die militärische Amtshilfe 2006 für verfassungswidrig erklärt.
Schon bei der mündlichen Verhandlung im Februar hatte Andreas Voßkuhle, der Gerichtspräsident und Vorsitzende des Zweiten Senats, erklärt: „Wir werden möglicherweise von der Auffassung des Ersten Senats abweichen.“ Inzwischen haben die Richter des Zweiten Senats bei ihren Kollegen förmlich angefragt, ob diese bereit sind, ihre Position aufzugeben. Ohne Erfolg. Es gibt zwar noch keinen offiziellen Beschluss des Ersten Senats, aber immerhin ein Meinungsbild, das einstimmig ausfiel.
Konkret geht es um das rot-grüne Luftsicherheitsgesetz, das seit 2005 den Umgang mit potenziell gefährlichen Passagierflugzeugen regelt. Das Gesetz erlaubte der Bundeswehr, von Terroristen entführte Jets abzudrängen und notfalls abzuschießen, bevor sie als Großwaffe wie bei den New Yorker Anschlägen 2001 benutzt werden.
Auf Klage von FDP-Politikern wurde die Abschuss-Regelung allerdings 2006 vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts für verfassungswidrig erklärt. Dies verstoße gegen die Menschenwürde, weil dabei auch unschuldige Passagiere zum Abschuss freigegeben werden. Außerdem habe der Bund das Gesetz gar nicht beschließen können, da das Grundgesetz die Amtshilfe mit militärischen Waffen ausschließe.
Bestehen blieb im Luftsicherheitsgesetz aber die Regelung zum Abdrängen von entführten Jets. Dagegen richtet sich eine Klage der Länder Bayern und Hessen. Auch dieser Einsatz der Luftwaffe sei eine unzulässige militärische Amtshilfe für die eigentlich zuständigen Länder. Beide Länder haben zwar nichts gegen Einsätze der Bundeswehr zum Schutz vor Terrorgefahren, wollen aber im Interesse des Föderalismus, dass vorher ausdrücklich das Grundgesetz geändert wird.
Diesmal ist aber der Zweite Senat und nicht der Erste Senat zuständig. Denn bei der Klage von Bayern und Hessen geht es um das Bund-Länder-Verhältnis, während sich die Beschwerde der FDPler auf individuelle Grundrechte stützte. Da aber beide Verfahren das gleiche Gesetz und die gleiche Rechtsfrage betreffen, müssen sich die beiden Senate einigen.
Die Verfassungsrichter am Ersten Senat hoffen noch auf weitere Gespräche. Doch wenn diese scheitern, kann der Zweite Senat das Plenum aus 16 Richtern anrufen. Dort wird dann mit Mehrheit entschieden. Bei einem Patt gilt die Rechtsauffassung, die keinen Verfassungsverstoß feststellt. Das heißt: Bei Stimmengleichheit im Plenum wäre die Klage von Bayern und Hessen abgelehnt, hätte sich die Position des Zweiten Senats durchgesetzt und eine Amtshilfe wäre auch mit militärischen Mitteln möglich.
Wie lange die Richter noch verhandeln, ist nicht abzusehen. Es gibt keine Frist, die sie drängt.