: Rente nach Wunsch
Beschäftigte wollen flexiblen Teilzeit-Einstieg in den Ruhestand und glauben, dass dann die Arbeit weitergeht
BERLIN epd/taz ■ Die Arbeitnehmer in Deutschland wollen nicht frühzeitig aufs Altenteil geschickt werden. Eine große Mehrheit der heute Erwerbstätigen zwischen 35 und 55 wolle auch im fortgeschrittenen Alter beruflich aktiv bleiben, heißt es in einer gestern veröffentlichten Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh. Die meisten der 1.001 befragten lohnabhängig Beschäftigten wünschten sich einen flexiblen Übergang vom Beruf in den Ruhestand.
61 Prozent wollen ihren eigenen Renteneintritt im Alter zwischen 60 und 67 Jahren selbst bestimmen können, geht aus der Umfrage hervor. Dabei nähmen sie auch Rentenabschläge bei vorzeitigem Ruhestand in Kauf. Für eine Beibehaltung des bisherigen Renteneintrittsalters von 65 Jahren sprechen sich 34 Prozent der Erwerbstätigen aus. Lediglich fünf Prozent halten die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre für in Ordnung, um so die künftigen Rentenzahlungen zu finanzieren.
Nur elf Prozent der Befragten erklärten, sie wollten gegen Ende des Berufslebens gar nicht mehr arbeiten. Die überwiegende Mehrzahl der deutschen Arbeitnehmer möchte auch in dieser Lebensphase beruflich tätig sein: 21 Prozent wollen weiter ganztags arbeiten, 47 Prozent wünschen sich eine Teilzeitbeschäftigung, und 19 Prozent plädieren für Wechselmöglichkeiten zwischen Arbeit und Freizeit. 77 Prozent sind auch bereit, sich kontinuierlich weiterzubilden.
Der Wunsch nach einer Nebenbeschäftigung auch im Rentenalter ist mit 44 Prozent recht ausgeprägt. Insgesamt 71 Prozent der Befragten glauben nicht mehr, dass sie von ihrer Rente leben können werden: Sie meinen, auch in der nachberuflichen Phase verdienen zu müssen. Dies gilt umso mehr, je jünger die Befragten sind: 82 Prozent der 35- bis 39-Jährigen halten Arbeit im Alter für erforderlich.
Angesichts der demografischen Entwicklung seien „längere Tätigkeitsbiografien zwingend notwendig“, sagte Johannes Meier vom Vorstand der Stiftung gestern. Politik und Verbände seien nun aufgerufen, Fehlanreize zur Frühverrentung weiter abzubauen und neue Formen des fließenden Übergangs zwischen Arbeit und nachberuflichem Engagement zu entwickeln.
Der Plan der Koalition, das Rentenalter ab 2012 bis 2029 schrittweise anzuheben, kommt dem kaum entgegen. Etwa die Forderung nach einer „echten“ Altersteilzeit, wonach die Arbeitnehmer ihre Teilzeit nicht im Block nehmen (z. B.: zwei Jahre Vollarbeit, zwei Jahre „Freistellung“, dann Rente), sondern tatsächlich weniger pro Woche arbeiten, wird bislang nicht erfüllt. Weder die Koalition noch die Stiftung geht darauf ein, dass lange arbeiten eine Frage der Qualifikation ist: Am frühesten scheiden schlecht qualifizierte Frauen aus. Auch gibt es bislang keine Vorstellung, wer den zunehmenden familiären Pflegebedarf abdecken soll: Oft scheiden Frauen aus der Lohnarbeit aus, um sterbende Angehörige zu pflegen. Im Jahr 2004 lohnarbeiteten in der Bundesrepublik laut Eurostat 41,8 Prozent aller Menschen zwischen 55 und 64 Jahren. In Schweden lag die Erwerbstätigenquote in dieser Altersgruppe dagegen bei 69,1 Prozent, in Dänemark bei 60,3 Prozent. UWI