HAMBURGER SZENE VON HOLGER FRÖHLICH : Der Flaschensammler
Nachts um halb eins vor der Roten Flora: Staat (grün gepanzert) und Bürger (schwarz vermummt) stehen sich gegenüber. Einer schreit, er sei im Grunde gegen den Staat. Zwei Beamte werfen sich auf ihn, ein dritter drischt ihm auf die Waden. Einer mit Sonnenbrille wirft Grünglas aus der dritten Reihe, trifft dumpf den Brustpanzer einer Polizistin mit der Nummer 22 auf und einem blonden Pferdeschwanz unter dem Helm.
Der schwarz-grüne Interessenkonflikt droht zu eskalieren, da schiebt ein dürrer Flaschensammler seinen Einkaufswagen über Scherben, Füße und Flüche –mitten durchs Zentrum der Aufmerksamkeit. Sein Gesicht ist grau und schlaff, der Ski-Anorak türkis und pink. Auf Höhe der Hundertschaft formen seine Mundwinkel spöttische Grübchen, und aus dem Nikotin-Bart spricht’s: „Was für’n Scheißjob!“ Beschwingt stellt er seinen Wagen ab –direkt an der schwarz-grünen Gefechtslinie.
Die einen stehen schwarz vermummt und unschlüssig um die grüne Schildkrötenstellung in der Straßenmitte –vor ihnen ein Wagen, bis zum Rand gefüllt mit Wurfgeschossen. In der Mitte stehen die anderen, die dem Flaschensammler leid tun. So verharren sie alle noch eine Weile, dann holt der Flaschensammler seinen Wagen ab und zieht davon. Eine Stunde später fährt ein Mannschaftswagen die Beamten in den Feierabend.