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Archiv-Artikel

Vermiesen der Juniorprofs

Das Karrieremodell für Nachwuchswissenschaftler ist nicht gescheitert – auch wenn es bisherweniger Stellen gibt als erwartet. Das Problem bleibt jedoch die unsichere Zukunft der Jungforscher

„Ich kann nicht am gesamten Projekt teilnehmen. Da verpufft viel Arbeitsleistung“

von MAX HÄGLER

Der Abgesang auf das Modell der Juniorprofessuren ist verfrüht. Es stimmt zwar, was die Zeit unter der Überschrift „Ein letzter Gruß“ vor kurzem schrieb: Es gibt nur ein Sechstel der ursprünglich geplanten 6.000 Juniorprofs. Doch mit dem Karrieremodell, das jungen Forschern kurz nach der Promotion eigenständiges Lehren und Forschen ermöglichen soll, geht es eigentlich gerade erst so richtig los.

Denn bis auf Sachsen haben mittlerweile alle Bundesländer diese Alternative zur Habilitation in ihre Hochschulgesetze eingebaut. Seit dem 1. Juni sogar Bayern, einst größter Gegner der Juniorprofs. „Es ist eine seltsame Situation“, gesteht Christoph Parchmann, Sprecher im bayerischen Wissenschaftsministerium. „In den meisten Ländern haben wir Juniorprofessuren, aber auf Bundesebene nicht mehr.“

Einst war der Freistaat vor Gericht gezogen, um gegen die komplette Abschaffung der Habilitation zu kämpfen, „weil wir der Meinung sind, dass in einzelnen Disziplinen eine zweite Forschungsschrift – die Habilitation – weiter Sinn macht.“ Inzwischen gestehen aber sogar die Bayern, das beide Zugangswege zur Lebenszeitprofessur ihre Berechtigung haben.

Auch Lars Frormann vom Förderverein Juniorprofessur kann das generelle Genörgel nicht nachvollziehen: „Die 6.000 Stellen waren eine politische Zahl und nie realistisch, wir wollen ja auch keine Billigprofessuren.“ Es gebe jedoch sicher auch einige Kritikpunkte: etwa eine bislang zu frühe Evaluierung der zumeist sechs Jahre dauernden Juniorprofessur oder die mangelnde Planungssicherheit über die Befristung hinaus. Das Modell an sich findet er jedoch „positiv“.

Die Zeit beruft sich bei ihrer Kahlschlagkritik auf eine Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), die im Herbst veröffentlicht wird. Im Gespräch mit der taz wird aber auch hier das Modell Juniorprofessur durchaus nicht als gescheitert angesehen. 750 besetzte Stellen, weitere 100 sind gerade im Besetzungsverfahren und über 40 Juniorprofessoren haben laut CHE-Experte Florian Buch mittlerweile den Sprung auf eine unbefristete W2- oder W3-Professur geschafft – eine „richtige“ Professur.

„Natürlich sind das nicht die einst erhofften Zahlen, es gibt eben durchaus noch eine abwartende Vorsicht an manchen Universitäten“, sagt er. Gleichzeitig würden aber Hochschulen wie Hamburg, Göttingen, Bremen oder die Berliner Humboldt-Uni beweisen, dass das Modell Sinn macht. Juniorprofessuren fördern beispielsweise die akademische Karriere von Frauen – rund ein Drittel der Stellen sind von ihnen besetzt, so Buch. Auch Selbstständigkeit und internationale Konkurrenzfähigkeit seien positive Aspekte dieses Karriereweges.

„Wir stellen aber fest, dass die Unis das Modell Juniorprofessur noch stärker als strategisches Instrument begreifen müssen“, erklärt Buch. Dazu gehören nach Ansicht des CHE neben den in der Regel gegebenen starken Berufungsverfahren eine gute Mittelausstattung und die so genannte Tenure-track-Option.

Das ist eine Juniorprofessur, die konkrete Zukunftschancen bietet. Je nach Spielart und Definition bekommen Wissenschaftler dabei bei Beginn ihrer Juniorentätigkeit eine konkrete Aussicht auf einen W2- oder W3-Lehrstuhl im selben Haus oder sie werden von Anbeginn auf eine W2-Position gehievt und arbeiten dann mehrere Jahre auf Probe. Dabei ist aber klar, dass bei guter Leistung eine Verbeamtung auf Lebenszeit winkt. Dass von dieser Möglichkeit bisher kaum Gebrauch gemacht wird, ist nach Buchs Ansicht derzeit der „entscheidende Schwachpunkt“. Viel zu wenige Juniorprofessuren würden diese Möglichkeit anbieten – wahrscheinlich auch, weil der Planungsbedarf bei solchen Stellen um ein Vielfaches höher ist.

Eine solche Zukunftsoption wünscht sich auch die Juristin Beate Rudolf bei ihrer Juniorprofessorenstelle: „Dann könnte man sein Leben besser planen und müsste nicht abbrechen, was ich mir jahrelang erarbeitet habe.“ Seit Herbst 2003 ist die 41-Jährige Juniorprofessorin an der Freien Universität Berlin (FU). Natürlich ist ihr Ziel eine unbefristete Stelle. „Aber wir müssen bei Lebenszeitstellen mit den Habilitierten konkurrieren.“ Deswegen schreibt sie während ihrer Juniorprofessur noch ein zweites Buch. „Das ist sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers“, sagt Rudolf. Und auch ist es ein wenig die Entwertung der eigenen Juniorprofessur, aber Rudolf schätzt die Doppelbelastung trotzdem: „Ich werde von den Forschungsinstitutionen ernst genommen und kann eigene Doktoranden betreuen.“ Gemeinsam mit Sozialwissenschaftlern untersucht sie, wie Regieren in schwachen oder zerfallenden Staaten funktionieren kann.

Das Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist auf zwölf Jahre angelegt, Rudolf bezweifelt aber, ob sie bis zum Ende teilnehmen kann. „Die Juniorprofessuren sind befristet, wir können uns also wohl nur am ersten Drittel beteiligen, da verpufft dann schon viel Arbeitsleistung.“

Eine Lösung, die Leistungen zahlreicher Jungprofessoren zu bewahren, wäre die Tenure-track-Option. Ein Karriereweg, den man eigentlich in Deutschland bereits kennt. „Dahinter steckt durchaus der richtige Gedanke“, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) Ende letzten Jahres. „Bei entsprechender Qualifikation muss ein weiterer Werdegang in der Wissenschaft möglich sein.“ Ihr Einwand jedoch: Man könne nicht allen Nachwuchswissenschaftlern solche Angebote machen. „Lassen wir doch einzelne Hochschulen Wege für den Tenure track ausprobieren“, so Schavans Vorschlag.

Patrick Cramer ist einer, der so einen Weg schon vor Jahren ausprobiert hat. 2001 wurde der Molekularbiologe im Tenure-track-Verfahren als W2-Professor an das Gen-Zentrum der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) gerufen. 32 Jahre war er damals alt und ohne Habil-Schrift. Stattdessen hatte er in Stuttgart, Heidelberg, Cambridge und Bristol studiert, seine Summa-cum-laude-Promotion in Grenoble verwertete er in fünf Publikationen. Seine beiden Postdoc-Jahre verbrachte er in Stanford – bis er nach München gerufen wurde. „Für mich hat eine Pro-forma-Habilitationsschrift keinen Sinn gemacht“, sagt er.

Die Bewährungszeit überstand er auch ohne das offizielle zweite Buch. Nach drei Jahren an der LMU wurde Cramer nach einem neuerlichen internationalen Besetzungsverfahren Institutsleiter. In diesem Jahr bekam er den mit 1,55 Millionen Euro dotierten Leibniz-Preis. Als gescheitert kann er das Modell Juniorprofessur daher freilich nicht bezeichnen.