„Subventionen helfen nur den Großen“

Die jüngste Runde der Welthandelsorganisation WTO ist an der Sturheit der Industrieländer gescheitert, sagt Handelsexperte Klaus Liebig. Er prophezeit einen Neuanfang der Verhandlungen über die Agrarhilfen. Der Westen braucht die neuen Märkte

INTERVIEWSTEPHAN KOSCH

taz: Herr Liebig, die Industrie- und Entwicklungsländer haben die, wie sie sagen, letzte Chance verpasst, den Streit um die Agrarsubventionen des Westens zu beenden. War das das Ende aller Verhandlungen?

Klaus Liebig: Kurzfristig ja. Wenn es überhaupt eine Chance für die Doha-Runde geben soll, müssen die Industrieländer ihre Haltung ändern. Die USA und die EU-Staaten sind noch immer nicht bereit, ihrem erklärten Willen, den Entwicklungsländern eine faire Chance auf den Weltmärkten zu geben, echte Taten folgen zu lassen.

Was müssten sie denn tun?

Eine Menge. Im Agrarhandel müssten sie endlich ihre Agrarsubventionen abbauen. Und dazu sind sie nicht bereit. Dabei ist die Landwirtschaft in den Industrienationen weniger wichtig als in den Entwicklungsländern. Aber die USA und die EU wollen weiter die Subventionsinteressen der Lobbys bedienen.

Also die ihrer eigenen Landwirte.

Genauer gesagt, die Agrarhandelskonzerne und die Großbauern. Denn die Subventionen helfen ja in der Regel nicht dem kleinen Landwirt in wirtschaftsschwachen Regionen.

Die EU senkt bereits ihre Subventionen. Und sie will den Export von Agrarprodukten nicht mehr finanziell stützen. Nur leeres Gerede?

Nein, das waren ja alles Schritte in die richtige Richtung. Aber entscheidend ist doch: Die Industrieländer haben noch nicht verinnerlicht, dass sie in einer multipolaren Weltordnung leben und die Regeln in der WTO nicht mehr alleine bestimmen können. Deshalb müssen sie die Interessen der Entwicklungsländer ernst nehmen und sie auf Dauer als Partner behandeln. Immer nur auf den Druck der Lobbyisten im eigenen Land zu verweisen, bringt nichts.

Wer leidet unter dem Scheitern der Doha-Runde?

Zunächst einmal: Das vorläufige Aus der Verhandlungen ist keine Katastrophe. Die WTO arbeitet ja weiter und der Welthandel ist ja schon in weiten Teilen liberalisiert. Das bleibt. Die Niedrigeinkommensländer waren in dieser Verhandlungsrunde vor allem Spielbälle der anderen Player. Sie hatten aber wegen ihrer bereits existierenden Sonderkonditionen auf den Märkten in Europa und USA wenig zu gewinnen.

Jetzt könnte es dazu kommen, dass die Entwicklungsländer und die Industriestaaten direkt um Abkommen feilschen – ohne Beteiligung der WTO. Da wären die Machtverhältnisse dann eindeutig.

Bilaterale Abkommen sind in der Tat auch keine Verbesserung. Zum Beispiel wird es den afrikanischen Baumwollproduzenten nicht gelingen, geringere Subventionen in den USA zu erreichen. Das wäre nur auf WTO-Ebene möglich. Umso wichtiger sind entwicklungspolitische Elemente in den bilateralen Verhandlungen. Aufstrebende Nationen wie Brasilien oder China sind hingegen stark genug, um sich auch in direkten Verhandlungen mit der EU oder den USA zu behaupten.

Die WTO ist überflüssig?

Nein. Freihandel ist sowieso ein theoretisches Konstrukt. In der Praxis geht es darum, möglichst transparente Regeln für den weltweiten Handel aufzustellen. Diese Idee ist nicht gestorben, und die WTO kann weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Aber man sollte sich jetzt Zeit für einen neuen Anlauf nehmen, damit auch die Industrieländer aus dem Scheitern der Verhandlungen lernen können.

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