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Archiv-Artikel

Berlins Kultur verliert den Steuermann

RÜCKTRITT Auch Klaus Wowereits Kulturstaatssekretär André Schmitz hat Steuern hinterzogen. Nun trat er zurück. Schmitz hatte es geschafft, trotz schwieriger Finanzen Hoch- und Subkultur zu versöhnen

BERLIN taz | Offenbar fiel ihm der Abschied schwer: André Schmitz hat erst am Dienstagnachmittag offiziell Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) um seine Entlassung als Kulturstaatssekretär gebeten. Bereits am Montagabend war die Meldung von seinem Rücktritt durchgesickert.

Grund dafür waren Medienberichte, dass Schmitz Erträge aus einem geerbten Vermögen von fast einer halben Million Euro in der Schweiz Mitte der nuller Jahre nicht versteuert hatte. Erst bei einer Razzia 2012 in der Bank war der Betrug aufgefallen. Schmitz hatte daraufhin rund 20.000 Euro Steuern nachgezahlt, ein Strafverfahren gegen ihn wurde nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

Schmitz hatte Wowereit schon 2012 über den Steuerbetrug informiert. Der Regierungschef hatte damals entschieden, Schmitz trotzdem im Amt zu lassen – aufgrund von dessen parteiübergreifend anerkannter politischer Arbeit. Noch am Montag hatte Wowereit – der im Urlaub weilt – versucht, Schmitz mit der gleichen Argumentation zu retten. Vergeblich: Nicht nur die Opposition im Abgeordnetenhaus forderte Schmitz’ Rücktritt. Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel legte ihm dies nahe: „Politische Repräsentanten haben eine Vorbildfunktion, der sie gerecht werden müssen.“

Mit André Schmitz hat Klaus Wowereit einen kompetenten Kulturpolitiker verloren – und einen loyalen Weggefährten. Der eloquente Opernkenner leitete erst die Senatskanzlei, seit 2006 war er Wowereits Kulturstaatssekretär. Offiziell unterstützte er den Regierenden Bürgermeister, der seit seiner zweiten Amtszeit auch das Amt des Kultursenators innehat. Doch längst war es Schmitz, der als heimlicher Kultursenator der Hauptstadt galt: Während Wowereit glanzvolle Auftritte wie Museumseröffnungen oder Intendanteneinsetzungen für sich reservierte, bestellte Schmitz im Hintergrund das kulturpolitische Geschäft.

Dass er das gut beherrschte, wollen ihm nicht einmal die absprechen, die mit seiner Prioritätensetzung nicht einverstanden waren. Dass der wohlhabende Erbe der Schwarzkopf-Shampoo-Dynastie eher der Hochkultur zuneigte, war kein Geheimnis. Unter seiner Ägide gediehen die Opern, großen Theater und Museen. Die Kulturszene jenseits der Leuchttürme musste sich mit schmaler Unterstützung begnügen. Schmitz verstand es aber, mit seiner verbindlichen Art zwischen den verschiedensten Institutionen und Akteuren zu vermitteln. NINA APIN, BERT SCHULZ