betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Dieses Stück ist eine Art Gründungsmanifest des postmigrantischen Theaters, das im Gorki Theater gerade dabei ist, zur wilden Schaumkrone auf den ansonsten eher dümpelnden Wassern der Mainstreamkultur zu werden: „Schwarze Jungfrauen“ von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel. Die Uraufführung fand schon vor acht Jahren statt: im Kontext des HAU-Festivals „Beyond Belonging“, von Shermin Langhoff kuratiert. Und zwar lange bevor sie das Ballhaus Naunynstraße übernahm. „Beyond Belonging“ bot zum ersten Mal den Nachkommen der Einwanderer in Deutschland eine Plattform, die längst integraler Teil der deutschen Gesellschaft, aber von der Teilhabe an der (Hoch-)Kultur nach wie vor ausgeschlossen waren: als Zuschauer wie als Akteure. Denn das Angebot dieser Kultur richtete sich nicht an sie, sondern zelebrierte noch immer eine „Leitkultur“, die aber kein Bewusstsein mehr davon hatte, wen sie überhaupt noch leiten sollte. So schlug Neco Çeliks Inszenierung von „Schwarze Jungfrauen“ nach seiner Premiere im März 2006 wie eine Bombe in die deutschen Feuilletons ein: in Monologen konfrontieren zehn muslimische Frauen unterschiedlichster Couleur und Herkunft das Publikum mit radikalen Ansichten und Selbstdarstellungen. Ergreifen selber das Wort, statt stumme Fläche für die Projektionen der Mainstreamgesellschaft zu sein. Den Weg, den die immer selbstbewusster geführte Debatte gegangen ist, ist diese Aufführung mitgegangen: Am Ballhaus Naunynstraße wurde sie 2010 wieder aufgenommen. Nun kommt sie am Gorki heraus. (Gorki Theater: „Schwarze Jungfrauen“, ab 7. 2., 19.30 Uhr)

Eine Geschichte derer, die von der Gesellschaft gezwungen werden, an ihrem Rand zu vegetieren, erzählte der 1983 entstandene, autobiografisch grundierte französische Roman von Mehdi Charef „Tee im Haarem des Archimedes“, dessen Verfilmung 1985 viele Kinopreise gewann. Erzählt wird die Geschichte von zwei Jugendlichen in den Pariser Banlieues, darunter Madjid, der Sohn algerischer Migranten, dessen Versuch, der Misere zu entkommen, am Rassismus der Mehrheitsgesellschaft scheitert. Am Deutschen Theater inszeniert jetzt Nuran David Calis den Stoff. Wenn man auf die Besetzungsliste schaut, muss man sagen: Das Deutsche Theater goes Gorki! (Deutsches Theater: „Tee im Haarem des Archimedes“, ab 9. 2., 19.30 Uhr)

Menschenskind“ heißt der neue Liederabend der Schauspielerin Dagmar Manzel. Gewidmet ist er dem Komponisten Friedrich Hollaender. Auch er hatte seinerzeit Schwierigkeiten, von den Deutschen als einer der ihren anerkannt zu sein. (Komische Oper: „Menschenskind“, ab 7. 2., 20 Uhr)