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Archiv-Artikel

Bummeln kann teuer werden

ENTSCHÄDIGUNGSKLAGEN Landessozialgericht warnt vor Klageflut. Richter mit Verfahren überlastet

Viereinhalb Jahre hatte ein Berliner Fußbodenleger auf eine Entscheidung des Sozialgerichts über seine Erwerbsminderungsrente gewartet. Jahre, in denen das Geld immer knapper geworden und er schließlich mit dauerhaften Einbußen frühzeitig in Altersrente gegangen sei. Mit seiner Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer hat der Mann nun Recht bekommen. Am Landessozialgericht Berlin-Brandenburg warnten die Richter am Mittwoch vor einer Welle solcher Entschädigungsklagen.

Seit 2011 haben Leidtragende verschleppter Verfahren die Chance auf Entschädigung. Gerade an den Sozialgerichten, die unter der Flut von Hartz-IV-Klagen ächzen, war es in den vergangenen Jahren zu einem wachsenden Berg unentschiedener Verfahren gekommen. Ob dabei eine dem Kläger unzumutbare „Überlänge“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Aber potenziell kann jedes Verfahren, in dem der Kläger mehr als drei Jahre in erster Instanz auf ein Urteil gewartet hat, eine Entschädigungsklage nach sich ziehen.

Allein in Brandenburg gibt es aktuell 3.000 solcher Verfahren. In Berlin sind es 2.300 Fälle. Knapp 100 Entschädigungsklagen wurden bereits eingereicht. „Das kann die Länder ordentlich Geld kosten“, sagt Axel Hutschenreuther, Sprecher am Landessozialgericht.

Dem Berliner Fußbodenleger hatte das Gericht im Dezember 1.300 Euro Entschädigung zugesprochen. Im Fall eines Cottbussers, der acht Jahre auf eine Entscheidung hatte warten müssen, waren es 3.600 Euro. In Brandenburg sieht man die Ursache für die überlangen Verfahren in der Arbeitsbelastung der Sozialrichter: 70 Richter kümmern sich hier um über 35.000 Verfahren. In Berlin sieht die Situation mit 130 Richtern auf 42.000 Verfahren hingegen ein wenig besser aus.

Das Brandenburger Justizministerium erklärte am Mittwoch, kurzfristig zwei neue Richterstellen in den Sozialgerichten einrichten zu wollen. Vor allem aber müssten die Jobcenter die Hartz-IV-Bescheide klarer formulieren, um Klagen schon im Vorfeld zu verhindern. MANUELA HEIM