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Archiv-Artikel

DANIEL BAX ZUM WAHLKAMPFAUFTRITT VON ERDOGAN IN BERLIN Der erste Türke auf dem Mond

Erdogan kämpft um sein Lebenswerk, deshalb malte er in Berlin die großen Linien seiner Politik

Als Barack Obama Berlin als Bühne für seinen Wahlkampf nutzte, fühlten sich viele in Deutschland geehrt. Wenn Recep Tayyip Erdogan das Gleiche macht, fühlen sich nicht wenige dadurch gestört. Manche Kritik am Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten ist jedoch deutlich überzogen. Denn das Problem ist nicht, dass Erdogan in Deutschland gerne Wahlkampfreden schwingt. Das Problem ist, was genau er dabei sagt.

Diesmal gab er sich aber deutlich Mühe, seinen deutschen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Er rief dazu auf, sich vorbildlich zu integrieren, und dankte Angela Merkel für die Gastfreundschaft. Ansonsten ging es nur um die Türkei.

Im August will sich der Ministerpräsident zum Präsidenten wählen lassen – zum ersten Mal wird das höchste, bisher eher repräsentative Staatsamt der Türkei durch Direktwahl besetzt. Erdogan kämpft um sein Lebenswerk, deshalb malte er in Berlin die ganz großen Linien seiner Politik. Ausgiebig zählte er Großprojekte wie Flughäfen und Bosporusquerungen, Krankenhäuser, ja sogar türkische Satelliten auf, um zu zeigen, wie seine Partei die Türkei aus der Dunkelheit ins Licht geführt habe. Es fehlte nicht viel, und Erdogan hätte noch den ersten Türken auf dem Mond angekündigt.

Die dunklen Seiten seiner Erfolgsbilanz – die Exzesse der Polizei gegen die Gezipark-Bewegung, die Einschränkungen der Medienfreiheit und die Korruptionsvorwürfe – blendete er aus oder erklärte sie zum Werk von Feinden und Neidern. Mit diesem Populismus könnte er es auch ins Präsidentenamt schaffen. Die Wähler in Deutschland sollen ihm dabei helfen.

Das Problem: Je mehr Erdogan seinen autoritären Kurs fortsetzt, desto weiter entfernt sich die Türkei von Europa. Anders gesagt: Erdogan selbst ist das größte Hindernis für einen EU-Beitritt seines Landes geworden.

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