: Unerwartete Freiheit nach 40 Jahren
JUSTIZ Der Knast Tegel bereitet sechs Männer vor aufs Ende der Sicherheitsverwahrung
Im Männergefängnis in Tegel wird die Entlassung von früheren Straftätern aus der Sicherungsverwahrung mit Hochdruck vorbereitet. „Wir unternehmen einen Kraftakt nach dem anderen, um alles auf den Tag X abzustimmen“, sagte der Leiter der Justizvollzugsanstalt, Ralph Adam, am Samstag. In Berlin sind sieben Gewalt- und Sexualstraftäter von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Freilassung Sicherungsverwahrter betroffen, sechs davon sitzen in Tegel. „Tag X“ meint den Tag, an dem das Landgericht über die Anträge zur Freilassung entscheidet. Noch gebe es keine Termine.
„Wir waren mit den Verwahrten schon draußen und haben sie zu Ämtern und zum Landeskriminalamt begleitet“, sagte Adam. Dort seien sie mit ihren Fingerabdrücken erfasst worden, da erneute Straftaten nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden könnten. Einige der Männer seien mehrmals mit Sozialarbeitern unterwegs gewesen. Denn: „Mit der Entlassung endet die Vollversorgung der Justiz.“
Eigenständigkeit schaffen
Ziel sei, eine gewisse Eigenständigkeit der zwischen 50 und 70 Jahre alten früheren Straftäter zu erreichen und sie schrittweise auf die Freiheit vorzubereiten, so Adam. „Doch aus dem Stand kann keiner von ihnen auf dem ersten Arbeitsmarkt antreten.“ Die Männer hätten massive Entfremdungsprobleme und seien teilweise nicht kooperativ. „Sie haben nicht damit gerechnet, jemals wieder freizukommen.“
Die Straftäter müssen entlassen werden, weil sie länger als zehn Jahre in Sicherungsverwahrung sitzen, die nach einer regulär verbüßten Freiheitsstrafe beginnt. Die Täter bleiben dann im Gefängnis, wenn sie weiter als besonders gefährlich eingestuft werden. Die Begrenzung von zehn Jahren Sicherungsverwahrung in Deutschland war erst 1998 aufgehoben worden. Der Gerichtshof in Straßburg hatte entschieden, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung rechtswidrig ist.
Die künftige Unterbringung sei geklärt, so Adam. Zwei könnten in ihre Familien zurückkehren. Ein 70-Jähriger, der seit 40 Jahren im Gefängnis sitzt, soll in ein Pflegeheim kommen. (dpa)