Ohne Schlange geht es nicht

BERLINALE BEGINNT

Selbst wer nie einen Film im Rahmen der Berliner Filmfestspiele gesehen hat, weiß eines genau: Es ist wahnsinnig schwer, Karten zu bekommen. Weil die Schlangen vor den Vorverkaufskassen ja sooo lang sind – was man jedes Jahr auf den immer gleichen Fotos in den Zeitungen sehen kann. 2014 bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

Das mit den begehrten Karten stimmt natürlich – und auch wieder nicht. Wie immer ist es äußerst schwer, für die vermeintlich tollen Filme im Wettbewerb Tickets zu kriegen und auch für jene anderen mit prominenter Besetzung. Weil fast alle genau und nur diese Filme sehen wollen. Aber immerhin wurde der Onlineverkauf diesmal ein bisschen aufgewertet: Erstmals kann man sich die übers Netz gekauften Karten zu Hause ausdrucken und muss nicht noch sinnlos in der extra Onlineschlange in den Potsdamer Platz Arkaden darauf warten. Und auch das bislang magere Kontingent dieser Tickets wurde – für jeden Nutzer spürbar – erweitert. Um wie viel, wollte eine Berlinale-Sprecherin auf Anfrage nicht verraten. Immerhin lieferte sie die Begründung: „Weil wir Wert auf moderne Technologien legen.“

Das ist eine steile These angesichts dieser eher marginalen Verbesserungen. Aber für die Berlinale ist es ein Riesenschritt, sie ist ja ein schwerfälliger Festivaltanker, was in schöner Regelmäßigkeit auch die Filmkritiker im Hinblick auf die inhaltliche Qualität der (Wettbewerbs-)Produktionen kritisieren.

Und man darf nicht vergessen, dass die Ticketsüchtigen – von denen einige sogar in der Nacht dick eingepackt im Schlafsack vor den Schaltern verharren – schon so eine Art Markenzeichen sind: Die Berlinale preist sich ja, im Gegensatz zu Cannes und Venedig, als Festival fürs Publikum. Noch dazu ist der Andrang auf die Karten beste kostenlose Werbung. Denn nicht nur in der DDR galt: Wo Menschen anstehen, muss es etwas Besonderes geben.

Natürlich haben die Schlangen längst auch etwas Abschreckendes, siehe die Argumentation zu Anfang. Aber für viele Berlinale-Cineasten gehört eine Portion Masochismus einfach dazu. Und ab und an bekommt man, so von Wartenden zu Wartenden, ganz geheim, pssst, tatsächlich noch den Tipp für genau jenen tollen Film in der nebulösesten Nebenreihe, der dann tatsächlich die Berlinale zu einem Festspiel macht – und sie noch dazu schon Tage vor dem sehnsüchtig erwarteten Filmstart beginnen lässt. BERT SCHULZ