Rice will Waffenruhe

Aus Jerusalem Silke Mertins

US-Außenministerin Condoleezza Rice hat bei ihrer zweiten Nahostreise in einer Woche konkrete Vorschläge im Gepäck. Danach wird eine internationale Stabilisierungstruppe von 10.000 bis 30.000 Soldaten im Südlibanon eine Pufferzone zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz schaffen. Die Friedenstruppe soll zum einen der libanesischen Armee helfen, die Hisbollah zu entwaffnen. Zum anderen wird sie zu verhindern haben, dass Waffen aus Iran in den Libanon geschmuggelt werden, hieß es. Im Gegenzug müsste Israel sich von den umstrittenen Schebaa-Farmen im Norden zurückziehen. Es ist Zeit für eine Waffenruhe“, sagte Rice gestern in Jerusalem.

Die neue Vermittlungsmission bedeutet israelischen Regierungskreisen zufolge, dass die Tage für die Militäroffensive gegen die Hisbollah gezählt sind. In Jerusalem geht man davon aus, dass der israelischen Armee höchstens noch eine Woche bleibt, um die Schiitenmiliz zurückzudrängen. Spätestens Anfang nächster Woche wird dann wahrscheinlich eine Feuerpause in Kraft treten.

Rice, die am Samstagabend in Jerusalem eintraf, wollte ursprünglich zwischen Jerusalem und Beirut hin- und herfliegen. Doch die geplante Pendeldiplomatie wurde von der Tragödie in dem südlibanesischen Dorf Kana durchkreuzt. Bei einem israelischen Luftangriff kamen dort 54 Menschen ums Leben (siehe Seite 3). Rice verschob daraufhin die Reise aus Sicherheitsgründen. Wütende Demonstranten hatten am Vormittag die UNO-Vertretung in Beirut gestürmt und teilweise zerstört. Zudem hatte Libanons Ministerpräsident Fuad Siniora Verhandlungen wegen des „Kriegsverbrechens“ in Kana vorerst ausgeschlossen.

Gespräche über die Schebaa-Farmen sollten aber gerade eine Geste des guten Willens gegenüber Siniora sein. Denn das 28 Quadratkilometer große Gebiet wird zwar von der Hisbollah als Grund angegeben, warum Widerstand gegen Israel nach wie vor notwendig sei. Bevor Israels Armee es 1967 eroberte, gehörte es jedoch zu Syrien, das den völkerrechtlichen Anspruch bisher nicht aufgegeben hat.

Israelische Militärs sehen ein solches Zugeständnis aber kritisch. Sie fürchten, dass die Hisbollah eine Aufgabe der Schebaa-Farmen als Sieg feiern könnte – so wie einst Israels Rückzug aus dem Libanon. Das Weiße Haus wünscht sich dennoch in dieser Frage von der Regierung Olmert Flexibilität, obwohl dies keine Bedingung für eine Waffenruhe sei, hieß es.

US-Präsident George W. Bush sagte in seiner wöchentlichen Radioansprache zudem, der Libanonkonflikt, so schmerzhaft er sei, könne auch „eine Chance für große Veränderung in der Region“ sein. Die Vereinigten Staaten sehen den Kampf gegen die Hisbollah als Teil des internationalen Kampfs gegen den Terrorismus. Seit den Anschlägen vom 11. September sei klar, dass die USA „den Status quo im Nahen Osten nicht mehr dulden können“.

Schon heute wird unter Vorsitz von UN-Generalsekretär Kofi Annan über die Teilnehmer einer Stabilisierungstruppe beraten. Interesse angemeldet hat neben den EU-Staaten auch die Türkei. Die Führung würde wahrscheinlich Frankreich übernehmen.