: Welt als Wunderland
FILM Die französischen Filmemacher Jean Mach und Nicolas Alberny erzählen in „8. Wonderland“ die Geschichte des ersten virtuellen Staates im Internet
VON ROBERT MATTHIES
Die Ethik, befand einst in einer dunklen Stunde der Soziologe Ulrich Beck in Bezug auf die verselbständigten Wissenschaften, spiele nurmehr die Rolle „einer Fahrradbremse am Interkontinentalflugzeug“. Das war vor der Durchsetzung des Internets und seinen Möglichkeiten der Virtualisierung so, antworten ihm heute die französischen Filmemacher Jean Mach und Nicolas Alberny.
In ihrem Film „8. Wonderland“ erzählen sie die Geschichte des ersten virtuellen Staates der Erde, gegründet von einem Kollektiv von Individuen aus aller Herren Länder, die sich Großes vorgenommen haben: die Welt verbessern, das Politische aus seinem Asyl zurückholen, die Systemfrage stellen. Die Bewohner des auf keiner Landkarte verzeichneten „achten Wunderlandes“ kennen dabei nur einen Rhythmus: keine Stechuhren, keine Börsenschlusszeiten strukturieren den globalen sozialen Raum, einzig die wöchentliche Abstimmung über die nächste gemeinsame Aktion oder die Aufnahme revolutionärer Beziehungen zu geobasierten Ländern bestimmt die Handlung der Cyberspace-Bürger.
In Rom etwa stellen Giovanni und Isabella, Wunderland-Bürger mit italienischem Pass, Kondomautomaten auf geweihtem Boden auf, andernorts wird in Millionen-Auflage die Darwin-Bibel gedruckt, um den Kreationisten Paroli zu bieten. Doch die alten Mächte und die Regierungen der Territorialstaaten geben sich im Kampf mit den Internet-Partisanen und ihren sich immer weiter radikalisierenden Aktionen nicht so schnell geschlagen: der virtuelle Staat wird zur Terrorgruppe ernannt, die Jagd auf seine Bürger eröffnet.
Eine originelle Geschichte, deren filmische Umsetzung nicht immer gelingt – dafür fehlte deutlich sichtbar das Geld. Und so machen bisweilen ermüdende, nicht immer gut gespielte Internet-Debatten via Webcam einen Großteil des Films aus, der sicher besser beraten gewesen wäre, die stichwortgebende „Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace“ der Electronic Frontier Foundation wörtlicher zu nehmen: „Unsere Welt ist überall und nirgends, und sie ist nicht dort, wo Körper leben.“ Und folgerichtig vielleicht auch nicht im Kino.
■ Premiere mit Gästen: Do, 12. 8., 21 Uhr, 3001, Schanzenstraße 75 (im Hof); weitere Termine: Fr, 13. 8. bis Mi, 18. 8., 21 Uhr; Fr, 20. 8. bis Mi, 25. 8., 20.45 Uhr; Do, 26. 8. bis Mi, 1. 9., 19 Uhr