: Radclub gegen Geisterradler
Radfahrerverband ADFC verlangt von der Polizei, wirksamer gegen Falschfahrer auf Radwegen durchzugreifen. Liste mit besonders gefährlichen Stellen eingereicht
von GERNOT KNÖDLER
Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat die Polizei aufgefordert, seine eigene Klientel zu disziplinieren. Die Ordnungshüter müssten härter gegen Geisterradler vorgehen, verlangt der Landesverband. Das Fahren auf dem falschen Radweg habe sich zwar als scheinbar selbstverständliches Verkehrsverhalten etabliert, sei aber unerquicklich und gefährlich. „Wer nur einmal die Feldstraße entlang fährt und dabei acht bis zehnmal wegen entgegenkommender Geisterradler auf den vollen Gehweg ausweichen soll, ist total genervt“, sagt ADFC-Sprecher Stefan Warda. Erst im vergangenen Jahr sei eine Geisterradlerin in der Hamburger Straße auf die Fahrbahn gestürzt und von einem Lastwagen überrollt worden.
Unter dem Motto „Geisterradeln kann tödlich sein“ richtet sich eine Kampagne des Landesverbandes gegen das regelwidrige Radeln. „Viele Radfahrer fahren kilometerlang auf der falschen Seite“, ärgert sich Warda. „Die entscheiden sich per Zufall an der Ampel, wie sie gerade fahren.“ Fairness und Rücksicht gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern blieben dabei oft auf der Strecke.
Dass die Kampagne, die letztlich die Bestrafung von Geisterradlern fordert, über das Ziel hinausschieße, findet der ADFC-Sprecher nicht. „Ich fahre auch manchmal falsch“, gibt Warda zu. Er tue das aber „entsprechend rücksichtsvoll“. Wenn jemand mal ein kurzes Stück falsch über den Radweg gondelt, kann er das verstehen. Dann müsse der Geisterradler aber notfalls auf den Gehweg ausweichen und absteigen, wenn dort kein Platz ist. Sicher: Mit Radwegen, die in zwei Richtungen zu benutzen sind, erzwinge der Senat mancherorts das Geisterradeln – eine Einrichtung, gegen die sich die Kampagne ebenfalls wendet. Überdies werde das Radeln durch unfreundliche Ampelschaltungen und eine komplizierte Verkehrsführung erschwert. „Aber auch wenn die Bedingungen für das Radeln nicht besonders schön sind“, findet Warda, „heißt das nicht, dass ich wie ein Idiot Rad fahren darf.“
Der Sprecher fragt sich konsterniert, wie einer den Gorch-Fock-Wall auf der falschen Seite herunter fahren könne. Zwischen Jungiusstraße und Stephansplatz verläuft der Radweg als schmaler Streifen zwischen einer Böschung und der Fahrbahn. Ein Ausweichen ist nur unter größten Verrenkungen möglich. Oft genug müsse an dieser Stelle der korrekte Radfahrer in die Böschung fahren, während sich die Entgegenkommenden in aller Stumpfheit und Dreistigkeit durchsetzten. „Dass Geisterradler selbst an besonders gefährlichen Stellen versuchen durchzukommen, zeigt wie rücksichtslos, uneinsichtig, gleichgültig oder bequem einige Radfahrer sind“, so Warda. Er hat der Polizei eine ganze Liste solcher Gefahrenstellen geschickt. Darauf steht auch der Radweg an der Hamburger Straße.
Für den Radkurier Lars Kröger gehört der Spagat zwischen der Sicherheit und der Alltagstauglichkeit des Radfahrens zum Beruf. Er plädiert zwar dafür, dass sich Radler aus Gründen der Sicherheit grundsätzlich an die Verkehrsregeln halten sollten, warnt aber: „Man kann auch alles kaputt regeln.“ Als Autofahrer versuche er, beim Abbiegen grundsätzlich in beide Richtungen zu gucken, schließlich müsse man immer mit einem Kind rechnen, das von der falschen Seite komme.
Dass die Polizei zu wenig unternehme, wie es der ADFC unterstellt, kann Kröger nicht feststellen. Im Gegenteil: Sie habe in jüngster Zeit vermehrt Jagd auf Radler gemacht. Polizeisprecherin Ulrike Sweden verweist auf die Fahrradstaffel. Falschfahrer zu verwarnen, gehöre zu deren wichtigsten Aufgaben. Bei Uneinsichtigkeit verhängten die Kollegen auch mal ein Bußgeld.
Die meisten Radler, die einen Unfall verursachten, fuhren nicht dort, wo sie sollten. Im vergangenen Jahr waren das 255 von insgesamt 1.480 unfallträchtigen Fehlern von Radfahrern. Das Überfahren roter Ampeln lag mit 118 Fehlern an zweiter Stelle, die mangelnde Verkehrstüchtigkeit der Räder – kein Licht, schlechte Bremsen – mit 116 Fällen an dritter Stelle. Die Folgen des falsch Fahrens waren allerdings weniger dramatisch: Nur vier Prozent der Verunglückten und nur sieben Prozent der Getöteten waren auf die falsche Straßenbenutzung zurückzuführen. Die meisten Verletzten und Toten gab es beim Einfädeln, Abbiegen, Wenden und rückwärts Fahren. Und die meisten Radfahrunfälle wurden im vergangenen Jahr ohnehin von Autofahrern verursacht: 1.857 von 3.298.