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Archiv-Artikel

pds und tucholsky Der längere Slogan

„Berlin bewegt“, „Berlin kann mehr“, „konsequent Berlin“. Seit dem Wochenende versuchen die Parteien mit kaum zuordenbaren Slogans die Wähler für sich zu begeistern. Nun aber zieht die Linkspartei mit Tucholsky in den Kampf: „… für diese Stadt, in der immerhin Bewegung ist und Kraft und pulsierendes rotes Blut. Für Berlin“, zitiert die Linke auf ihren Plakaten. Wow!, soll da der intellektuell unterforderte Wähler ausrufen. Das klingt nach engagierter Politik mit Herz.

KOMMENTAR VON GEREON ASMUTH

Der Text „Berlin! Berlin!“, dem das Zitat entnommen ist, erschien 1927. Darin beschrieb Tucholsky eine konservative Presse, die gegen die Hauptstadt als „verruchten Herd des Umsturzes“ wettert. Er mokierte sich über „Kulturbadewärter“, die auf die „Berliner Radikalen“ herunterlächeln. Er verwies darauf, dass es auch unter diesen Radikalen genug des Abzulehnenden gebe. Er betont gar, dass er die Stadt nicht liebe – dass er sich aber im Zweifel für Berlin begeistere, wenn es denn etwa für Radikalismus in Militärfragen und Sabotage der nächsten Schlachten stünde.

Nun stellt sich die Frage, was das alles mit der heutigen PDS zu tun hat. Vor fünf Jahren gab es noch eine Rote-Socken-Kampagne der Konservativen gegen die Sozialisten. Aber das hat sich gelegt. „Berliner Radikale“ mag es auch noch geben. Aber eine im Senat eingebundene PDS möchte man darunter kaum verstehen. Und Radikalismus in Militärfragen ist sehr lobenswert, hat aber mit der Berliner Abgeordnetenhauswahl herzlich wenig zu tun.

Es bleibt ein irgendwie linker, vor allem aber längerer Slogan, als ihn die anderen Parteien bieten. Und das Gefühl, die PDS trauere alten Zeiten mit klaren Fronten nach. Immerhin wird der Wähler verleitet, mal wieder Tucholsky zu lesen. Viel mehr kann man von einem Wahlplakat kaum erwarten.