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Archiv-Artikel

Wider den Starkult

Die Verantwortlichen der heute beginnenden Deutschlandtour für Radprofis fürchten um den Status ihrer Veranstaltung. Viel können sie nicht beitragen zum Kampf gegen das Doping in ihrem Sport

VON ANDREAS RÜTTENAUER

„Ich möchte Sie noch um eines bitten“, sagt Kai Rapp am Ende des Telefongesprächs, „sorgen Sie für eine faire Berichterstattung.“ Rapp ist Renndirektor der Deutschlandtour, des einzigen Mehretappenrennens in der Republik, das zum Kalender der Pro-Tour-Serie für Radprofis gehört. Er macht sich Sorgen um sein Rennen, das heute mit dem Prolog in Düsseldorf beginnt. Die Sponsoren, so berichtet Rapp, hätten bereits angekündigt, ganz genau auf die Quoten der Fernsehübertragungen zu achten. Noch gibt sich der Renndirektor optimistisch, sagt, die Zuschauer seien nicht nur reine Sportfans, sie schätzten vor allem den Eventcharakter einer Radsportveranstaltung. Doch auch er weiß: Die Zukunft der Deutschlandtour steht auf dem Spiel.

Und das liege, so Rapp, auch an der Berichterstattung. Die spreche immer vom dopingverseuchten Radsport, „dabei haben wir doch jetzt erst wieder gesehen, dass auch in anderen Sportarten nicht unbedingt sauber gearbeitet wird“. So richtig nimmt man Rapp den Anti-Doping-Kämpfer, als der er sich seit ein paar Tagen präsentiert, nicht ab. Er ist einer der Teilnehmer am Runden Tisch, den der Bund Deutscher Radfahrer zur Konzentration der Kräfte im Kampf gegen das Doping hierzulande ins Leben gerufen hat, und fordert, dass der Radsport sich eine Anti-Doping-Strategie zulegen müsse, die für andere Verbände beispielhaft sein soll. Noch vor einer Woche, als Floyd Landis noch nicht der böse Bube war, hat Rapp noch ganz anders geredet. Da sprach er von einem Jan-Ullrich-Problem, das es so nur in Deutschland gebe. In anderen Ländern sei die Berichterstattung über die Suspendierung der im spanischen Blutpanscherskandal verdächtigen Fahrer schnell in den Randspalten der Sportseiten entsorgt worden. Nicht so in Deutschland. Da sei das Geschrei besonders groß gewesen, weil sich das Interesse für den Radsport allzu sehr auf Jan Ullrich fokussiert habe.

Als deutscher Veranstalter sei er besonders von den Diskussionen betroffen gewesen. Insofern sei er „fast froh“, dass es zum Fall Landis gekommen sei. Denn jetzt hätten alle Rennen dasselbe Imageproblem. Kai Rapp war einst angetreten, um mit den großen drei Landesrundfahrten in Frankreich, Spanien und Italien in Konkurrenz zu treten. An diesem Ziel will er festhalten. Verschlechtert habe sich, so glaubt er, die Position der Deutschlandtour nicht, „schließlich stehen die anderen vor der gleichen Situation wie wir“.

Ganz so stimmt das sicher nicht. Die Deutschlandtour ist weitaus weniger mächtig als die große Tour de France. Rapp hat nämlich so gut wie keine Möglichkeit, ein Pro-Tour-Team vom Rennen auszuschließen. So geht der dopingerfahrene Rennstall Phonak, für den auch Floyd Landis unterwegs war, ebenso an den Start wie die kasachische Renngruppe Astana. Das ist das Nachfolgeteam des spanischen Rennstalls Liberty, dessen sportlicher Leiter Manolo Saiz zu den Hauptbeschuldigten im großen Dopingskandal gehört, in den auch Jan Ullrich verstrickt sein soll. Die Verantwortlichen der Tour de France hatten den Rennstall nicht zugelassen. Die wesentlich kleinere Deutschlandtour kann es sich offenbar nicht erlauben, sich den Pro-Tour-Regularien zu widersetzen. Danach haben prinzipiell alle Teams, die zu der Serie zugelassen sind, auch Startrecht.

„Es wäre auch ungerecht, irgendwelche Nachwuchsfahrer zu bestrafen, nur weil sich ein Profi falsch verhalten hat“, rechtfertigt Rapp die Teilnahme betroffener Rennställe. Viel könne man als Veranstalter ohnehin nicht zum Anti-Doping-Kampf beitragen, führt er weiter aus. Wichtig sei vor allem, dass das Streckenprofil nicht unmenschlich schwer sei. Die Tour de France und der Giro müssten da umdenken, so Rapp. Außerdem müsse der Starkult eingedämmt werden. „Das Team muss der Star werden – so wie der FC Bayern im Fußball.“ Dort gebe es zwar auch Stars, aber die seien ersetzbar. Wer als Veranstalter einen Topfahrer mit allen Mitteln zur Teilnahme überrede, sei mitverantwortlich, wenn dieser zu verbotenen Substanzen greife. So hat der frisch gebackene Anti-Doping-Kämpfer Rapp die Absage des von der Frankreichrundfahrt noch müden Andreas Klöden für die Deutschlandtour klaglos akzeptiert.