: Im Garten der Wut
Post aus Nahost (3): Iman Humaidan Junis erlebt den Krieg in Beirut, dort, wo er sich wie ein Erdbeben anfühlt
Schon seit einigen Nächten kann ich nicht schlafen, weil die Israelis Bomben über dem südlichen Beirut abwerfen. Aus der Gegend ist längst ein verbrannter und verwüsteter Ort geworden. Sorge um Freunde, die dort leben. Ich schickte ihnen SMS, um ihren Aufenthaltsort zu erfahren. Unter Schock antworteten sie, viele haben ihr Zuhause für einen sichereren Ort verlassen.
Als plötzlich der Krieg losbrach, hatten wir gerade unsere Sommerferien geplant. Das lebhafte Beirut ist nun verlassen und dunkel, es erkennt sich selbst nicht mehr in diesen Tagen. Wir hatten viele Pläne in diesem Sommer. Für das Leben, nicht den Tod.
„Wir warten alle“, sagte mir mein im Ausland lebender Freund am Telefon. Wir schauen den ganzen Tag fern. Auf dem kleinen Bildschirm fiel Beirut in sich zusammen. Wohnhäuser stürzten ein, mit Familien darin, Leute wurden getötet. In den Ruinen eines siebenstöckigen Gebäudes konnte ich einen leblosen Körper erkennen. Es sah aus wie die Ruinen eines Erdbebens.
Im Südlibanon wurden die Leute auf der Flucht bombardiert. Kinderleichen lagen über Stunden in der Sonne, bevor das Rote Kreuz sie zu bergen wagen konnte.
In meiner Seele und meinem Körper sind sie lebendig, die Erinnerungen an Gewalt, an die Jahre des Bürgerkriegs und die israelische Invasion von 1982. Dabei dachte ich, alles wäre vergessen und verarbeitet. Aber plötzlich ist alles wieder da. Ich halte es nicht mehr aus.
Warum sterben Zivilisten in einer militärischen Schlacht? Sie sind die Opfer, auf deren Kosten die militärischen Konfliktparteien ihre Siege verkünden.
In den Straßen, Parks, leeren Appartements und Schulen von Beirut lagern Tausende fliehende Familien, und es werden immer mehr. Andere suchen Hilfe in anderen Städten und Dörfern, weit weg vom Krieg. Mit Großzügigkeit und Mitgefühl werden sie aufgenommen in diesem Albtraum. Brücken, Fabriken, Straßen, Häuser, Hospitale, Tankstellen und Autos sind zerstört worden. Die Milchfabrik auch.
600 Personen haben sich in den Garten von Sanayeh geflüchtet, schlafen unter freiem Himmel. Besonders schlimm ist es für Frauen, die es nicht gewohnt sind, umgeben von Männern zu beten oder schlafen. Der Garten der Jogger, Picknicker und Liebespaare hat sich verändert. Er ist nun ein Garten der Qual, der Wut und der Hoffnungslosigkeit.
Abends gibt es keinen Ort, den man aufsuchen könnte, alles ist geschlossen. Jetzt höre ich den furchterregenden Lärm von Kampfflugzeugen, wie sie durch den dunklen Himmel über dem Libanon tauchen. Kinder in Beirut erwachen mit Schrecken. Wo ich lebe, gibt es keinen Bunker. Mein Zimmer ist mein Bunker.
Ich setze mich hin und schreibe: Mein Land hat all dieses Leid nicht verdient. Wie viele Jahre werden wir brauchen, es wieder aufzubauen? Wie viel Hoffnung brauchen wir, um zu überleben?
Iman Humaidan Junis (Beirut) schreibt im Wechsel mit Ron Kehrman (Haifa) aus dem Kriegsgebiet