Hartz IV wird strenger – und keiner protestiert

Selbst die Betroffenen demonstrieren nicht mehr gegen Hartz IV. Warum? Ihnen fehle dafür das Geld, sagen Initiativen

BERLIN taz ■ Vor knapp zwei Jahren breiteten sich von Magdeburg die Proteste gegen Hartz IV vor allem über den Ostteil der Republik aus. Bis zu zehntausend Menschen gingen auf die Straße. Verhindern konnten sie die Einschnitte nicht. Als Hartz IV am 1. Januar 2005 in Kraft trat, waren die Massenproteste schon abgeebbt.

Mittlerweile wird das Gesetz schon zum zweiten Mal verschärft. Doch wenn heute die neuen Regelungen in Kraft treten, ist mit Demonstrationen nicht zu rechnen. Für Anne Allex vom Runden Tisch der Erwerbslosen- und Sozialhilfeorganisationen, einer bundesweite Koordinierungsstelle von rund einem Dutzend Initiativen, bedeutet die Ruhe auf der Straße aber keineswegs, dass sich die Betroffenen mit Hartz IV abgefunden haben. „Schon aus finanziellen Gründen sind Erwerbslose nur selten zu Massendemonstrationen zu aktivieren. Doch die Gegenwehr reicht vom regelmäßigen Verteilen von Infomaterial vor den Arbeitsagenturen über behördenunabhängige Beratungen bis zu regionalen Vernetzungen“, sagt Allex. Auf diesem Weg habe man zumindest erreichen können, dass Betroffene häufiger erfolgreich prozessieren.

Auch über zahlreiche Bestimmungen des neuen Hartz-IV-Optimierungsgesetzes müssen demnächst die Sozialgerichte befinden. Vor allem die nun festgeschriebene Beweislastumkehr bei eheähnlichen und gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften ist nach Ansicht des Runden Tisches verfassungswidrig. Nicht mehr das Jobcenter, die Zusammenlebenden sollen fortan nachweisen, dass sie keine eheähnliche Gemeinschaft bilden.

Nach Angaben des Runden Tisches sind davon bundesweit mehr als 300.000 Bedarfsgemeinschaften betroffen. „Das ist der Punkt im Optimierungsgesetz, wo für die breite Masse der Betroffenen eine Verschlechterung spürbar wird“, sagt Allex. Ansonsten gibt es vor allem bei Erwerbslosen unter 25 sowie bei arbeitssuchenden EU-AusländerInnen Einschränkungen. Während Letztere ihren Anspruch auf ALG II verlieren, schrumpfen für junge Erwerbslose die Leistungen. Schon bisher erhalten sie häufig Sachleistungen statt Geld.

Beide Gruppen haben nach Ansicht der Betroffenenverbände keine Lobby und daher große Schwierigkeiten, sich gegen die Verschlechterungen zu wehren. Zusätzlich könnte in Zukunft auch noch der Klageweg für sie erschwert werden. Denn die Regierung arbeitet an einem Gesetzentwurf, der eine Gebührenpflicht für die Inanspruchnahme des Sozialgerichts vorsieht. Das wäre gerade für die Erwerbslosen eine große Hürde.

Doch die Initiativen wollen sich auch jetzt nicht nur auf den Weg durch die Instanzen des Sozialgerichts verlassen. Zurzeit schmieden sie Pläne für weitere Protestaktionen im Herbst. An Wut und die Bereitschaft zum Widerstand fehle es auch heute nicht, beteuern sie.

Die Palette der geplanten Aktionen gegen Hartz IV reicht von einem dezentralen Aktionstag im Oktober, über ein Erwerbslosentribunal in Nordrhein-Westfalen bis zu befristeten Hungerstreiks von Erwerbslosen.

PETER NOWAK