Diskurshoheit essen Seele auf

DAUERKRISE „Ich will mich nicht künstlich aufregen“, der Debütfilm von Max Linz, macht die Werkzeuge eines politischen Kinos wieder produktiv (Forum)

Linz gelingt ein Update von politischem Kino, wo selbst gegenwärtige Filmproduktionsbedingungen kritische Außenpositionen schon institutionalisiert haben

Max Linz’ Debütfilm „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ ist eine einzige Krise. Besser: Krisenerklärung. Am Anfang steht ein expressiver „Scheiße“-Loop. Die Kuratorin Asta Anderson, mustergültiges „Neue Mitte“-Kreativhumankapital (theoriegefestigt, designaffin, kapitalismuskritisch), kämpft um die Finanzierung ihrer Ausstellung „Das Kino. Das Kunst“.

Ihre Krise beinhaltet ein moralisches Dilemma: Wie spielt man das Spiel der Umverteilungskämpfe um Fördermittel und Distinktionskämpfe um Diskurshoheit mit, ohne seine Seele zu verkaufen? Während am Kottbusser Tor eine sozial diversifizierte Öffentlichkeit gegen hohe Mieten demonstriert.

Linz’ Film verfolgt unterschiedliche ästhetische Strategien, um diesen Widerspruch aufzulösen. Er benutzt die Theaterform (Pollesch, Fritsch), die Werbung, die Videokunst, selbst die Sitcom. Seine szenischen Miniaturen sind dabei genauso hysterisch wie die Selbstbehauptungsfloskeln seiner Hauptfigur unter ihrer stilbewusst durchoptimierten Lebensoberfläche. Gleichzeitig thematisiert Linz seine eigene Verstrickung in die Problematisierung des Alltags – nicht mit der Larmoyanz der Berliner Bürgerkinder, zu deren Filmen er formal Opposition bezieht, sondern mit einem messerscharf analytischen Sprach- und Geschichtsbewusstsein.

„Ich will mich nicht künstlich aufregen“ tut genau das nicht, obwohl seine Form hochgradig künstlich ist. Linz’ Beobachtungen umkreisen Momente der Diskursproduktion (die zwangsläufig etwas hermetisch bleiben), ohne Empörung zu schüren. Dafür hat er sogar die Schutzpatronin des deutschen Essayfilms, Hannelore Hoger aus dem Alexander-Kluge-Universum, fürs Kino reaktiviert. Linz’ Arbeiten weisen starke Bezüge zu Kluges Kino auf. Zum 50. Jubiläum des Oberhausener Manifests hat er 2012 die Internetserie „Das Oberhausener Gefühl“ entwickelt, in der viele kulturkritische Positionen angetriggert sind.

„Ich will mich nicht künstlich aufregen“ ist nun das Update eines genuin politischen Kinos unter gegenwärtigen Produktionsbedingungen, die selbst kritische Außenpositionen bereits institutionalisiert haben. Asta gewinnt ihre Privatfehde gegen den Förderanstaltenfilz (Hoger fungiert als Einflüsterin des Bundespräsidenten), aber es fühlt sich wie eine Niederlage an. „Ich will mich nicht künstlich aufregen“ stellt eine grandiose historische Materialsammlung des politischen Kinos (Godard, Kluge, Straub-Huillet) bereit. Höchste Zeit, dass diese Werkzeuge wieder produktiv gemacht werden.

ANDREAS BUSCHE

■ Heute, Delphi Filmpalast 19 Uhr; 11. 2., Cinestar Imax 22 Uhr; 13. 2., Cinestar 8, 13.45 Uhr; 15. 2., Arsenal, 20 Uhr