Horror auf Island

NACHWUCHSFUSSBALL Nach dem Scheitern in der EM-Qualifikation steht U21-Trainer Adrion zur Disposition

„Das ist etwas, worüber wir intern reden müssen, das hat so niemand erwartet“

BUNDESTRAINER JOACHIM LÖW

HAFNARFJÖRDUR/KÖLN taz | Matthias Sammer hat etwas dazugelernt. Früher ist der Sportdirektor des Deutschen-Fußball-Bundes (DFB) in schwierigen Situationen gern durch Hinterausgänge geflohen, hat sich kritischen Fragen entzogen, und auch nach dem schlimmen 1:4 (0:1) der U21-Fußballer in der EM-Qualifikation auf Island sah es so aus, als würde Sammer wortlos verschwinden. Doch nach einigen Minuten im Mannschaftsbus war er schließlich bereit, das Ausscheiden und die höchste Qualifikationsniederlage in der deutschen U21-Geschichte zu kommentieren. „Wir müssen eine seriöse Analyse der Geschehnisse vom ersten bis zum letzten Tag vornehmen“, sagte er, „für eine detaillierte sachliche Analyse“ sei es „derzeit aber noch zu früh“.

Dennoch ist klar, dass sich das neu strukturierte Machtgefüge auf der sportlichen Führungsebene des DFB nun erstmals unter Krisenbedingungen bewähren muss. Die Zukunft von Trainer Rainer Adrion ist ungeklärt, und die Mannschaft wird umgebaut, schon in den beiden bedeutungslosen Qualifikationsspielen, die noch ausstehen, werden wahrscheinlich nur noch Spieler eingesetzt, die auch bei der übernächsten EM 2013 spielen dürfen. Leute wie Mats Hummels, Benedikt Höwedes oder Daniel Schwaab haben ihre U21-Karrieren auf Island beendet. Und Adrion, dessen Vertrag im Sommer 2011 ausläuft, erklärte, seine Zukunft hänge davon ab, „wie das Konzept für den Neuaufbau zur EM 2013 aussieht“.

Die Chancen des Schwaben auf eine Vertragsverlängerung stehen schlecht. Sammer hätte die wichtigste Nachwuchsmannschaft schon vor eineinhalb Jahren lieber einem anderen anvertraut. Favorit des Sportdirektors war Heiko Herrlich, damals U19-Trainer beim Verband. Es war Bundestrainer Joachim Löw, der seinen alten Gefährten Adrion durchsetzte, die Personalie war einer der neuralgischen Punkte im andauernden Machtgerangel zwischen der Führung der A-Nationalmannschaft und dem Verband. Nach Adrions Scheitern dürfte Sammer nun über ein gewichtigeres Votum bei der Besetzung des Postens verfügen, obwohl Löw auch weiterhin das letzte Wort bei der Wahl des U21-Trainers haben soll.

Aber auch die Arbeit Sammers hat ihren Zauber verloren. Als DFB-Sportdirektor wurde der 42-Jährige in den vergangen zwei Jahren für EM-Titel der U17-, U19- und U21-Teams gefeiert. Nun kann keine der drei Mannschaften ihren Titel verteidigen, sie sind alle in der Qualifikation gescheitert. „Das ist eine Situation, über die wir intern reden müssen, das hat so niemand erwartet“, sagte Löw zum Scheitern der U21, er selbst habe „in den letzten Tagen und Wochen alles investiert“, um das Projekt noch zu retten. Spieler wie Hummels, Höwedes oder Kevin Großkreutz, die allesamt zum U21-Kader auf Island zählten, „hätte ich gerne in Dänemark dabei gehabt“, erklärte Löw nach dem 2:2 seines Teams in Kopenhagen.

Das klingt, als habe auch er den Glauben an Adrion verloren. Adrion ist es nie gelungen, eine funktionierende Mannschaft zu formen, das war auch auf Island nicht zu übersehen. In der Defensive unterliefen dem Team furchtbare Stellungs- und Abspielfehler, die Offensive war erschreckend harmlos, und Torhüter Tobias Sippel monierte weder beim 1:2 noch beim 1:3 wie ein Torhüter von internationalem Niveau. Sammer sprach von „großen individuellen Fehlern vor allen Gegentoren“, Kapitän Mats Hummels war einfach nur „fassungslos“, und Adrion sprach von einem „Horrorergebnis“. Der Trainer hielt es noch nicht einmal mehr für nötig, eine abschließende Ansprache an die Mannschaft zu halten.

Natürlich ahnt er, dass seine Zukunft beim DFB gefährdet ist, auch wenn diese Personalfrage mit viel Geduld angegangen werden kann. „Verbandsintern werden wir mit den sportlich Verantwortlichen das Geschehene aufarbeiten, um für den nächsten EM-Wettbewerb wieder eine Trendwende zu erreichen“, kündigte DFB-Präsident Theo Zwanziger an. Die nächste Qualifikationsrunde beginnt erst im Herbst 2011. DANIEL THEWELEIT