: Kompromiss gefunden, Ärzte wütend
Im Tarifstreit an den kommunalen Kliniken einigen sich Arbeitgeber und Ver.di auf wichtige Eckpunkte. Doch der Konflikt ist damit nicht zu Ende – denn die Ärztegewerkschaft Marburger Bund will die Verhandlungsergebnisse nicht anerkennen
BERLIN afp/dpa/taz ■ Wieder einmal ist Ver,di dem Marburger Bund zuvorgekommen: Die Arbeitgeber verständigten sich mit der Dienstleistungsgewerkschaft und dem Deutschen Beamtenbund (DBB) auf Eckpunkte eines Tarifvertrags für das Klinikpersonal. Der 1. Vorsitzende der DBB-Tarifunion, Frank Stöhr, sagt, man sei mit den vorliegenden Eckpunkten den berechtigten Interessen der Ärzte genauso gerecht geworden wie den Ansprüchen des Pflege-, Reinigungs- und Verwaltungspersonals. „Wir haben eine Spaltung in den Krankenhäusern verhindert.“
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die an den Verhandlungen nicht teilgenommen hatte, lehnte den Vertrag für die Ärzte allerdings ab. Sie kündigte eine Ausweitung der Streiks an. „Dieser Vertrag gilt nicht für uns“, sagte der Chef der Ärztegewerkschaft Frank Ulrich Montgomery. „Die Hoffnung der Arbeitgeber, dass mit einem Tarifabschluss mit Ver.di der Streik vorbei wäre, ist irrig.“ Diese Verhandlungstaktik der Arbeitgeber bringe die Mediziner „erst so richtig auf die Palme“.
Nun ist der Marburger Bund in der gleichen Situation wie vor zwei Monaten. Als die Mediziner an den Unikliniken streikten, suchten die Arbeitgeber das Gespräch mit Ver.di und präsentierten in kurzer Zeit einen Abschluss. Damit geriet die Ärztegewerkschaft, die sich im Oktober 2005 von Ver.di getrennt hatte, unter Druck. Noch zwei Wochen streikten die Mediziner weiter, dann unterschrieb der Marburger Bund einen Vertrag, der im Wesentlichen die mit Ver.di ausgehandelten Bedingungen für Ärzte enthielt.
Auch jetzt setzen die Arbeitgeber wieder auf rasches Einlenken beim Marburger Bund. An die Adresse der Ärztegewerkschaft gewandt, sagte der Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände, Thomas Böhle, gestern im Deutschlandradio: „Wenn der Marburger Bund für seine Klientel ein erhebliches Stück vom Kuchen haben will, dann geht das natürlich zu Lasten anderer Beschäftigtengruppen.“ Daher hoffe er, dass sich die Ärztegewerkschaft nicht weiter verschließe. Ver.di und Beamtenbund gehe es um Lösungen nicht nur für Ärzte, sondern für die gesamte Belegschaft.
Die Bezahlungs- und Arbeitsbedingungen der Ärzte seien laut dbb-Tarifunion deutlich verbessert worden. Für das nichtärztliche Personal haben die Tarifpartner eine dynamische Zulage vereinbart. Der Bereitschaftsdienst wird zukünftig besser bewertet und bezahlt. Allerdings vertreten die beiden Organisationen zusammen kaum mehr als 1.400 der 70.000 Ärzte an kommunalen Kliniken; der Marburger Bund organisiert dagegen knapp 50.000 dieser Ärzte.
Montgomery sagte im RBB-Inforadio, Ver.di habe keine Legitimation, für Krankenhausärzte zu verhandeln und zu sprechen. Er warf der konkurrierenden Gewerkschaft vor, im Tarifstreit als „Billigmacher“ zu dienen. Ver.di versuche, die Arzthonorare relativ billig anzusetzen, während sie die Gehälter der Pfleger und Schwestern relativ hoch ansetze. Die Arbeitgeber wiederum machten „Sandkastenspiele“, indem sie versuchten, sich für einen Vertrag eine andere Gewerkschaft zu schnitzen.
Der Marburger Bund beharrt in den Verhandlungen mit der VKA auf einer neuen Offerte der Arbeitgeber. Beide Seiten hatten sich weitgehend zu Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen für die etwa 70.000 Mediziner an den rund 700 Krankenhäusern der Städte und Kreise verständigt. An Fragen der Bezahlung waren die Verhandlungen aber gescheitert. Gestern legten erneut mehrere tausend Ärzte an kommunalen Kliniken die Arbeit nieder. Betroffen von den Streiks waren laut Marburger Bund Kliniken in 96 Städten.