: Heiße Kiste an der heißen Ecke
Neue Ungereimtheiten im Fall Mettbach. Senatsakten ergeben, dass der Bürgermeister von dubiosen Kiez-Kontakten des ehemaligen Schill-Senators wusste. Dennoch bekam dieser einen Beratervertrag
Von SVEN-MICHAEL VEIT
Sie wussten Bescheid. Bürgermeister Ole von Beust und sein Staatsrat Volkmar Schön, Bausenator Michael Freytag (alle CDU) und dessen Oberbaudirektor Jörn Walter waren schon im März über die Kontakte des ehemaligen Bausenators und Zweiten Bürgermeisters Mario Mettbach (einst Schill, davor CDU und Statt, jetzt wieder CDU) zur zwielichtigen Kiez-Größe Burim Osmani informiert. Dennoch erhielt Mettbach am 12. April einen Vertrag als Logistik-Berater für die städtische Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF). Der wurde am 6. Juni wieder aufgelöst – wegen Mettbachs Osmani-Connection.
Das geht aus vertraulichen Unterlagen zu den dubiosen Vorgängen hervor. Die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft hatte Akteneinsicht beantragt und erhalten. Und dabei stieß sie auf etliche „Ungereimtheiten“, wie Fraktionschef Michael Neumann und sein Stellvertreter Martin Schäfer es gestern ausdrückten.
Eine davon bestehe aus „gezielten Lücken“ in den Akten, so Schäfer, die den Verdacht zuließen, „dass etwas verheimlicht werden soll“. Der „exakte Ablauf der Entscheidungsfindung“ gehe aus den Unterlagen nicht hervor. „Wer hat wann was entschieden und warum?“ – diese Frage bleibe unbeantwortet.
Nach den Senatsakten hatte von Beust am 21. März ein Gespräch mit seinem einstigen Stellvertreter, bei dem es um Osmanis Grundstück an der Reeperbahn ging, das nach einer ehemaligen Imbissstube im Volksmund „Heiße Ecke“ heißt. Der Ex-Schill-Abgeordnete Wolfgang Barth-Völkel wollte es pachten, um sich darauf während der Fußball-WM mit einer neuen Frittenbude eine goldene Nase zu verdienen. Tags zuvor hatte Mettbach mit Freytag und Walter darüber gesprochen, eine Woche zuvor war er bereits bei Schön vorstellig geworden.
Dem Bürgermeister lag zu diesem Zeitpunkt ein umfangreicher Vermerk eines Mitarbeiters über die „Heiße Ecke“ vor, in dem eindringlich vor dem „unseriösen“ Osmani gewarnt wurde. Der Imbiss-Plan misslang, Barth-Völkel musste weiter kleine Würstchen braten. Vermittler Mettbach aber erhielt auf Betreiben von Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) am 12. April einen mit 3.500 Euro monatlich dotierten Beratervertrag von der HWF. Gegen deren Willen, denn die HWF hatte erklärt, „keinen Bedarf“ an Mettbach zu haben. Aktenkundig ist auch, dass Mettbachs erste Bewerbung im Oktober bereits auf Ablehnung gestoßen war: Ein entsprechender Textentwurf wurde seinerzeit unter dem Briefkopf des Wirtschaftssenators verfasst, der Brief aber nie abgeschickt.
Für Mettbachs Aktivitäten im März dürfte es zwei Gründe geben. Zum einen lief sein Übergangsgeld nach dem Ausscheiden aus dem Senat aus. Zweitens soll zeitgleich der Versuch, die „Heiße Ecke“ an einen Investor weiterzuverkaufen, wegen fehlender Kredite geplatzt sein. Osmani ließ sich etliche Geschäfte von der Volksbank im schleswig-holsteinischen Lauenburg finanzieren. Die war zu dem Zeitpunkt schon in Misskredit geraten. Vorstand und Aufsichtsrat traten im April zurück, gestern bestätigte die Staatsanwaltschaft Lübeck, dass sie wegen des Verdachts der Untreue gegen damalige Volksbank-Manager ermittelt. Im Raum steht eine Summe von ungesicherten Darlehen in Höhe von 22 Millionen Euro.
Am 6. Juni kündigte die HWF Mettbachs Vertrag mit Verweis auf dessen Osmani-Kontakte. Wegen der langen Kündigungsfrist muss die Stadt den 54-Jährigen aber noch bis zum Jahresende für Nichtstun bezahlen. Grund war offenbar die Verhaftung Osmanis am 9. Mai. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zu schweren Betrügereien vor. In der Presse wurde daraufhin intensiv über des Albaners Geschäftsgebaren und seine politischen Kontakte berichtet – so wurde auch der zu Mettbach öffentlich bekannt. Der wegen Steuerhinterziehung bereits verurteilte Osmani und seine drei Brüder haben es mit Etablissements auf St. Pauli zu einem Millionenvermögen gebracht.
Uldall beteuerte, erst im Mai von Mettbachs Kontakten erfahren zu haben. In seiner möglichen Unwissenheit hatte er noch am Vormittag des 6. Juni auf der Landespressekonferenz vor Rathaus-Journalisten die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für seinen einstigen Senatskollegen verteidigt – am Nachmittag wurde sie dann beendet.
Für SPD-Fraktionschef Neumann ist die Angelegenheit allerdings noch lange nicht zu Ende. Er findet treuherzig, von Beust müsse für rasche Aufklärung sorgen, „damit er nicht in ein falsches Licht gerät.“