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Archiv-Artikel

Neue Anschlagsserie im Süden Thailands

Drei Polizisten getötet. Rund hundert Gewaltakte gegen Einrichtungen in muslimisch dominierten Provinzen

BANGKOK taz ■ Die fünf Kilogramm schwere Bombe detonierte gestern gegen 6.40 Uhr Ortszeit morgens in der Nähe einer Eisenbahnlinie, als ein Auto mit vier Polizisten vorbeifuhr. Drei waren sofort tot, der vierte wurde schwer verletzt. Die Explosion legte den Schienenverkehr in der thailändischen Provinz Songkhla lahm. Züge aus der Hauptstadt Bangkok sowie den an Malaysia grenzenden Südprovinzen wurden umgeleitet.

Bereits wenige Stunden zuvor war es im Süden zu einer Serie von rund einhundert Bombenanschlägen, Brandstiftungen und Schusswechseln gekommen. Betroffen waren vor allem die an Songkhla grenzenden muslimisch dominierten Südprovinzen Yala, Pattani und Narathiwat. Berichte über weitere Tote gab es zunächst nicht. Ziel der Attacken waren vor allem Kontrollpunkte der Polizei und Wohnhäuser lokaler Politiker.

Konzertierte Gewaltakte sind im Süden Thailands keine Seltenheit mehr. Mitte Juni hatte eine Serie von rund 70 Bombenanschlägen die Region erschüttert. Mindestens sechs Menschen starben, mehr als 40 wurden verletzt. Es wird gemutmaßt, dass nicht nur muslimische Separatisten dahinterstecken, sondern auch in Waffen- und Drogengeschäfte verwickelte Kriminelle, die davon profitieren.

Ausgebrochen war die Gewalt im Januar 2004, nachdem mutmaßliche Rebellen ein Armeecamp in der Provinz Narathiwat überfallen hatten. Darauf hatte Premier Thaksin Shinawatra das Kriegsrecht und 2005 den Notstand über die Region verhängt. Seitdem starben bei Anschlägen und Massakern mehr als 1.300 Menschen. Bewohner verschwanden, und Familien vermeintlicher Separatisten erhielten Warnungen, dass sie unter verschärfter Beobachtung von Polizei und Militär stünden.

Im mehrheitlich buddhistischen Thailand fühlen sich die Muslime des Südens als Bürger zweiter Klasse, die zudem als Sündenböcke für Bangkoks verfehlte Politik herhalten müssen. Kenner sehen den blutigen Konflikt weniger als Folge separatistischer Bestrebungen an. Vielmehr gelten die Anschläge als Begleiterscheinungen der Ungerechtigkeit, die von der Regierung ausgegangen ist: „Grundsätzlich ist es so, dass die Menschen dieser Regierung nicht vertrauen“, erklärte Thailands angesehener Expremier Anand Panyarachun, den Thaksin Anfang 2005 als Vorsitzenden einer „Nationalen Versöhnungskommission“ eingesetzt hatte.

Kürzlich hatte die Kommission ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin empfiehlt sie die Einrichtung von unbewaffneten Friedensbrigaden, um die Verständigung mit den Muslimen zu verbessern. Allerdings ist der Zeitpunkt heikel: Die Thaksin-Administration gilt nach den annullierten Wahlen von Anfang April als Übergangsregierung. Neuwahlen finden Mitte Oktober statt. NICOLA GLASS