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Aquamans Liebe zum Speed Racer

MÄNNER Von der komplizierten Beziehung zwischen zwei sportverrückten Soldaten erzählt der Regisseur Karim Aïnouz in „Praia do futuro“ (Wettbewerb)

Was bedeutet es denn, dass einer Soldat ist, der zwischen Berghain und Extremsport lebt?

Was für ein großartiger Anfang: zwei Cross-Motorräder düsen durch eine gelbe Dünenlandschaft und ziehen ihre Bahnen vor majestätischen Windrädern. Alan Vega singt „Ghost Rider“ mit staubiger Stimme, krachend vibriert die Elektronik von Martin Rev. Möge doch dieser Film so bleiben! Leider tat der brasilianische Wettbewerbsbeitrag „Praia do futuro“ von Karim Aïnouz aber genau das: Er blieb so. Er produzierte ein ausgesuchtes verheißungsvolles Bild an wohlgewählter Location nach dem anderen. Allein: Auf die Verheißung folgte nichts. Ouvertüren, Ouvertüren, Ouvertüren.

Dabei werden reichlich Fährten ausgelegt. Ein brasilianischer Rettungsschwimmer (Donato) verliebt sich in den Freund (Konrad) eines deutschen Ertrunkenen. Beide sind sportbegeisterte Outdoor-Typen, der eine ist Wasser-, der andere Motorsportler, beide Soldaten (der Deutsche lag vor Kabul, der Brasilianer ist Gefreiter bei den Wasserrettern). Beide beherrschen die nicht gerade leichten Sprachen ihrer Lover. Ihre Liebe führt sie nach Berlin. Aber dann passiert nichts mehr. Eine Weile geht es um die Frage, ob Donato bleiben soll. Dann sind plötzlich fünf Jahre vergangen. Der kleine Bruder Donatos (Ayrton) kommt in Berlin an und beschwert sich über den schmählich entflohenen Bruder. Donato und Konrad sind getrennt. Man fährt zu dritt an die Nordsee und bestaunt das Wattenmeer. Schon erklingt „Heroes“, die Schlussmusik.

Dazwischen Berlinbilder: brillante Locationstudien, aber auch Tourismuswerbung. Warum haben sich Donato und Konrad getrennt, warum konnte Donato nicht zu Hause in Fortaleza anrufen, warum ist dann doch alles wieder gut? None of our fucking business. In seinen besten Bildern liefert „Prais do Futuro“ Studien einer männlichen Körperkultur, die sich gerne riskant austobt und gerade dadurch wieder einen Weg zu Zärtlichkeit findet. Doch er vergeigt jede Begegnung einer so entworfenen Sensibilität mit der Wirklichkeit: Was bedeutet es denn, dass einer Soldat ist, der zwischen Berghain und Extremsport lebt?

Um irgendeine Konsistenz in den Bilderbogen zu kriegen, wird auf den letzten Metern die Geschichte der Brüder zentral. Sie müssen jetzt die Versprechen ihrer Superheldenidentität einlösen, die sie sich zu Beginn des Filmes gaben: Der Kleine war wasserscheu und „Speed Racer“, Donato der „Aquaman“. Hat also, könnte man dem Sinnlosen Sinn gebend vervollständigen, Donato in Konrad nur den Speed Racer geliebt? Geht es hier um die Elemente, brasilianischer Ozean versus Brandenburger Sand? Aufgewühlter Atlantik gegen zurückhaltendes Gezeitengewässer? Oder wurden nur die deutschen und brasilianischen Kooperationspartner, von Petrobras bis zum Medienboard Berlin Brandenburg, in idealtypische Charaktere verwandelt, die sich lieben, aber nicht zueinander finden? DIEDRICH DIEDERICHSEN

■ Heute, Friedrichstadt-Palast, 18 Uhr; 16. 2., Berlinale Palast, 12 Uhr

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