Ökoacker kostet zu viel Schotter

LAND GEWINNEN Weil Agrarkonzerne und branchenferne Investoren Ackerland als Kapitalanlage entdeckt haben, sind die Boden- und Pachtpreise in Deutschland hoch

■ Die Zukunft und nachhaltige Entwicklung der Biobranche ist Thema zahlreicher Veranstaltungen bei der diesjährigen BioFach-Messe, so bei der heutigen Debatte im „Nachhaltigkeits-Forum“ unter dem Titel „Kreative Lösungen sichern die notwendigen Ressourcen“, unter anderem mit Alexander Gerber (Demeter e.V.), Uwe Greff (GLS Bank) und Joachim Weckmann (Märkisches Landbrot GmbH).

■ Als Vorreiter der Idee der Community-supported agriculture in Deutschland gilt der Demeter-Betrieb Buschberghof im schleswig-holsteinischen Fuhlenhagen. Auf der Website des Netzwerks „Solidarische Landwirtschaft“ gibt es auch eine Landkarte, auf der man sehen kann, welcher am Netzwerk beteiligte Biohof sich in der Nähe des eigenen Wohnorts befindet: solidarische-landwirtschaft.org. (os)

VON OLE SCHULZ

Die Nachfrage nach umwelt- und tierfreundlich erzeugten Lebensmitteln steigt. Doch zugleich gibt es ein Nachschubproblem, weil die ökologisch bewirtschaftete Agrarfläche in Deutschland seit Jahren deutlich weniger zunimmt als der Markt insgesamt. Die Ökobilanz der weit gereisten Bioware ist deutlich schlechter, und auch die Verbraucher bevorzugen heimische Produkte. Eine der wesentlichen Ursachen des Angebotsdefizits ist, dass die Pacht- und Bodenpreise steigen. Und daran ist in erster Linie die staatliche Biogasanlagenförderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schuld.

„Für landwirtschaftliche Betriebe war es in den letzten Jahren am wirtschaftlichsten, auf Biogas umzustellen“, sagt Demeter-Vorstand Alexander Gerber. Für die mittlerweile rund 7.700 Biogasanlagen muss großflächig Mais angebaut werden. Durch diese Nutzungskonkurrenz steigen die Bodenpreise. Die Betriebe des Biosektors können laut Gerber bei diesen hohen Preisen nicht mithalten, was zur Folge hat, dass sie „nicht weiter wachsen“. Zudem gebe es „weniger Neuumstellungen auf Bio“. Auch weil in vielen Biohöfen ein Generationswechsel ansteht, wird es künftig eine große Herausforderung sein, neue Biolandwirte zu gewinnen: Wo sind qualifizierte Kandidaten, die einen Hof übernehmen können und wollen?

Der Biolandbau muss sich diesen Entwicklungen stellen. Auch auf der diesjährigen BioFach-Messe ist die Frage, wie der Ökolandbau weiter nachhaltig ausgebaut werden kann, ein zentrales Thema. Den politischen Rahmenbedingungen kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Immerhin ist durch die EEG-Novelle von 2012 der Biogasboom abgeflaut, weil die Förderung großer Anlagen zurückgefahren wurde. Zugleich bleibt aber auch nach der im Dezember 2013 beschlossenen EU-Agrarreform die von den Bioverbänden schon lange scharf kritisierte Bevorzugung von Großbetrieben bei den EU-Subventionszahlungen weitgehend erhalten.

Auch der Druck auf die Boden- und Pachtpreise in Deutschland ist ungebrochen hoch. Denn zu den Betreibern von Biogasanlagen kommen Agrarkonzerne, aber auch branchenferne Investoren, die Ackerland in Zeiten von Eurokrise und Rohstoffknappheit als Kapitalanlage entdeckt haben und damit die Preise in die Höhe treiben. Nach einer europaweiten Vergleichsstudie der Kleinbauernbewegung „La Via Campesina“ und des Netzwerks „Hands off the Land“ aus dem Vorjahr sind die Bodenpreise in Deutschland zwischen 2005 und 2011 um satte 55 Prozent gestiegen.

Für viele Landwirte sind aber vor allem die ähnlich hohen Pachtpreise ein Problem, weil sie den größten Teil ihrer Acker- und Weideflächen anpachten. Bei einem Durchschnittspreis von rund 200 Euro Pacht pro Hektar Ackerboden werden in einigen deutschen Regionen inzwischen bereits Spitzenwerte von 1.000 Euro bezahlt. Weil sich das nur große und kapitalstarke Landwirte oder Unternehmen leisten können, steigt die Landkonzentration. Inzwischen halten rund 11,7 Prozent der Betriebe mehr als die Hälfte des gesamten landwirtschaftlich genutzten Bodens.

Zusehends geraten dabei auch Ökobauern unter Druck, die sich der Idee einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft verschrieben haben. Denn die Richtlinien der anerkannten Bioanbauverbände wie Demeter, Bioland und Naturland sind wesentlich strenger als die EU-Öko-Mindeststandards – und darum auch aufwendiger und kostspieliger in der Umsetzung. Dazu kommt, dass „der Preisdruck im deutschen Lebensmittelmarkt enorm ist“, so Alexander Gerber. „Deshalb müssen endlich die Umweltkosten der konventionellen Herstellung in die Preise Eingang finden. Denn dann werden konventionelle Produkte teurer als Biolebensmittel sein.“

Für rund 7.700 Biogasanlagen muss großflächig Mais angebaut werden

Wegen der Landkonzentration und hoher Bodenpreise wird in der Biobranche derzeit auch über innovative Modelle zur Bodennutzung nachgedacht und in Zusammenarbeit mit ethisch orientierten Banken an Konzepten gefeilt, die Ökolandwirten am Ende landwirtschaftliche Flächen als Gemeingut zur Verfügung stellen könnten. Vor allem für die ökologischen Anbauverbände, bei denen die Idee assoziativen Wirtschaftens im Mittelpunkt steht, ist das ein attraktiver Ansatz. „Der einzelne Landwirt kann sein Land nicht einfach verkaufen, weil ihm ein gutes Angebot unterbreitet wird, und der Boden wird dauerhaft für eine nachhaltige Agrarkultur gesichert“, sagt Demeter-Vorstand Alexander Gerber.

Laut Gerber dürfte auch ein weiteres Modell künftig an Bedeutung gewinnen: die sogenannte Community-supported agriculture (CSA) – auf Deutsch „solidarische Landwirtschaft“ oder auch „Versorgungsgemeinschaft“ genannt. „Die Kunden unterstützen einen Ökohof in der Region finanziell und werden im Gegenzug von dort mit Biowaren beliefert.“ Im gewissen Sinne ist das CSA eine Weiterentwicklung des bekannten Foodcoop- und Ökokistensystems.

In der Regel geben die beteiligten Verbraucher dem Partnerlandwirt bei der CSA entweder eine zeitlich befristete Abnahmegarantie für dessen Produkte, oder aber sie beteiligen sich an dem Hof mit einem zinslosen Darlehen und erhalten dafür Obst, Gemüse, Eier, Käse und Fleisch direkt vom Hof sowie Einblick in und Einfluss auf die Produktion. Während diese Form direkter „solidarischer“ Landwirtschaft in den USA inzwischen zu einer, so Berger, „starken Bewegung“ geworden sei, befinde sie sich bei uns noch in den Anfängen. Zum Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, das sich 2010 gegründet hat, gehören deutschlandweit inzwischen 44 Biohöfe. Tendenz steigend.