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Archiv-Artikel

Knackig am Ziel vorbei

Ein Jahr nach Verschärfung des Hamburger Polizeigesetzes zieht die SPD-Fraktion Bilanz: Was sie vorher gut fand, habe sich bewährt, was ihr nie gefiel, habe praktisch nicht funktioniert

Von SVEN-MICHAEL VEIT

Das vor einem Jahr von der CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft verschärfte Hamburger Polizeigesetz „führt zu einer Bilanz aus Licht und Schatten“. Zumindest nach Ansicht des SPD-Innenpolitikers Andreas Dressel. Die Teile des Gesetzes, welche die Sozialdemokraten mittrugen, hätten „sich bewährt“. Alles, was den Genossen zu weit ging, sei in der Praxis gescheitert. „Mit dem knackigsten Polizeigesetz Deutschlands“, folgert Dressel, „hat die Innenbehörde ihre selbst formulierten Ziele nicht erreicht.“

Seine Bilanz basiert auf der Auswertung einer 23-seitigen Senatsantwort voller Statistiken auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Gewaltkriminalität in St. Pauli trotz der Videoüberwachung rund um die Reeperbahn weiter angestiegen ist. Im zweiten Quartal 2006 wurde dort gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Anstieg der Straftaten um acht Prozent registriert. Körperverletzungsdelikte sind sogar um 26 Prozent gestiegen. „Die Erwartungen von CDU und Innensenator Udo Nagel haben sich in keiner Weise bestätigt“, sagt Dressel.

Zwar befürwortet auch er die Überwachung von Kriminalitätsschwerpunkten mit Kameras, „aber nur als Ergänzung zu anderen polizeilichen Mitteln und als Teil einer ganzheitlichen Sicherheitsstrategie“. Die aber fehle.

Ein „juristischer Flop“ sei die Regelung, Verdächtige bis zu zwei Wochen in polizeilichen Gewahrsam nehmen zu können. Diese Vorstufe zur Untersuchungshaft wurde in allen Fällen von Gerichten untersagt. Die SPD hatte vier Tage Höchstdauer ins Gesetz schreiben wollen. Das habe sich, fühlt Dressel sich bestätigt, „als sinnvoll und gerichtsfest“ bestätigt.

Sinnvoll sei auch die Erlaubnis, bei Gefahr für Leib und Leben die elektronische Handy-Ortung zu erlauben. In 43 von 45 Fällen, fast ausschließlich angekündigte Suizidversuche, konnten dadurch Lebensmüde gerettet werden. „Ein hervorragendes Ergebnis“, findet Dressel.

Ganz anders sieht das bei den verdachtsunabhängigen Kontrollen aus. In 23 „Gefahrengebieten“ wurden gut 18.000 mehr oder minder verdächtige Personen von der Polizei überprüft, in lediglich rund 1.500 Fällen wurden gestohlene Gegenstände gefunden oder dringend Tatverdächtige ermittelt. Von „überzeugenden Erfolgen“ könne da kaum gesprochen werden, meint der SPD-Innenpolitiker.

Geradezu tatenlos sei die Innenbehörde, wenn es um den Schutz von Grundrechten gehe, kritisierte Dressel. Die im Polizeigesetz erleichterten Möglichkeiten zur Rasterfahndung – die aber in keinem Fall angewendet wurden – und zur Überwachung von Telefongesprächen und Wohnungen seien mehr als bedenklich. In einem Urteil zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen hatte das Bundesverfassungsgericht „konkrete Gefahren“ zur Bedingung für diese Maßnahmen erklärt. In Hamburg aber gilt eine „vage latente Bedrohung“ als ausreichend.

Die Innenbehörde werde „ihrer Verantwortung nicht gerecht, wenn man sie ständig an rechtsstaatliche Grundsätze erinnern muss“, sagt Dressel. Sie müsse endlich ihre „Hausaufgaben erledigen“ und die Regelungen ändern. Gegen Rasterfahndung und Überwachungsmaßnahmen hat der Sozialdemokrat im Prinzip nichts, „aber sie müssen verfassungsgemäß sein“.

„Eine seriöse Betrachtung ist für einen so kurzen Zeitraum nicht möglich“, meint hingegen Marco Haase, Sprecher der Innenbehörde. Eine „aussagekräftige Auswertung“ sei erst in zwei Jahren vorgesehen, ergänzt CDU-Innenpolitiker Manfred Jäger. Eines aber weiß er jetzt schon: „Die Verschärfungen des Polizeirechts waren vernünftig.“