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Archiv-Artikel

Die wundersame Baumvermehrung

STADTGRÜN II Offiziell nimmt die Zahl der Straßenbäume zu. Doch das ist ein statistischer Trick. Denn real wird mehr gefällt als gepflanzt

„In den letzten Jahren verlieren wir jährlich circa 2.000 Bäume“

CHRISTIAN HÖNIG, BERLINER LANDESVERBAND DES BUND

Auf den ersten Blick sieht alles gut aus. Die Kurve, die den Bestand an Straßenbäumen in der Stadt beschreibt, geht zwar nicht steil, aber doch fast stetig nach oben. Von 371.355 Straßenbäumen im Jahr 1990 stieg der Bestand nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf 434.371 im Jahr 2009.

Doch auf den zweiten Blick fällt auf: Es werden deutlich mehr Bäume gefällt als neue gepflanzt. So mussten von 1999 bis 2009 knapp 50.000 Bäume weichen. Doch die Bezirke pflanzten in dem gesamten Zeitraum nur gut 41.000 junge Bäume nach. „In den letzten Jahren verlieren wir jährlich circa 2.000 Bäume, da nicht für jeden gefällten Baum einer nachgepflanzt wird“, kritisiert Christian Hönig vom Berliner Landesverband des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Dass die offiziellen Bestandszahlen trotzdem nach oben gehen, hat mit einem Trick zu tun: In der Statistik tauchen nur die Straßenbäume auf. Für Privatstraßen oder Gärten sind die Bezirke nicht zuständig, und Parks oder gar den ganzen Grunewald mit Nummern zu versehen, wäre zu aufwändig. Wird nun zum Beispiel eine Privatstraße zu einer öffentlichen Straße, werden auch die auf ihr befindlichen Bäume zu öffentlichen Bäumen. Damit sind sie in der Statistik und die Zahl der Bäume nimmt zu, obwohl dafür kein Baum gepflanzt wurde. „Bestandskorrektur“ heißt das in der Behördensprache. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen ehemals öffentliche Bäume aus der Statistik heraus fallen, weil sie zu privaten Bäumen werden. Doch das ist viel seltener.

Die Methode der Bestandskorrektur hat im vergangenen Jahr der Bezirk Marzahn-Hellersdorf am deutlichsten angewendet. Dort liegt die Zahl der Straßenbäume im stadtweiten Vergleich sowie schon am unteren Ende. 275 Baumfällungen gab es darüber hinaus im vergangenen Jahr in dem Bezirk, ganze drei Neupflanzungen und über 4.300 Bäume in der Spalte Bestandskorrektur. Das heißt: Der Bestand an Straßenbäumen ist gestiegen, obwohl insgesamt auf Grund der Fällungen weniger Bäume in dem Bezirk stehen. Was Marzahn-Hellersdorf mit fast allen anderen Bezirken gemeinsam hat: Es wird deutlich mehr gefällt als neu gepflanzt. Einzig in Mitte gab es im vergangenen Jahr eine kleines Plus – um 32 Bäume.

Alexander Abel, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, weist jedoch den Vorwurf der Irreführung zurück: „Bestandskorrekturen gibt es natürlich, wenn eine öffentliche Straße zu einer Privatstraße wird oder umgekehrt.“ Darüber hinaus würden damit auch frühere Fehler beim Zählen der Bäume korrigiert. SVENJA BERGT