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Archiv-Artikel

sucht nach den schönsten Spielsachen

SYLVIA PRAHL

Das war hart. Weil sich der Mediareceiver immerzu aufgehängt hat, musste der Resetknopf betätigt werden. Die Folge: Alle Aufnahmen aus dem Fernsehen futsch. Darunter auch dieser sagenhafte „Der kleine Lord“ mit dem noch sagenhafteren Alec Guinness und diesem goldigen Ricky Schroder, den man ob seiner enervierenden Killing-with-kindness-Haftigkeit heimlich vermöbeln will. Aber ein Griff in die Hörspielabteilung des Plattenregals ließ die Tränen der Verzweiflung schnell trocknen: Das alte Hörspiel von circa 1977 aus dem Hause Europa, noch mit Hans Paetsch als knorrigen Graf von Dorincourt, hat an seinem Charme nichts eingebüßt. Einfach wunderbar, wie die Schreibfeder übers Papier schrabt, die Misch-Masch-Katze quietscht oder Minna, die falsche Lady Fauntleroy, kleinen Zuhörern eine Ahnung vermittelt, was mit dem Begriff Waschweib gemeint ist. Angenehmerweise muss man für den Erwerb eines Exemplars dieses atmosphärisch und dramaturgisch dichten Hörspiels nicht auf Flohmärkten die Nacht zum Tag machen, sondern kann es bei hoerspiel.de für 6,90 € bestellen (ab 5 Jahre). Aber nach fast 30 Jahren wollte ich endlich den ganzen „Der kleine Lord“ von Frances Hodgson Burnett lesen, das hatte ich bisher verpasst. Und weil wir es zu Hause gerade total super finden, uns vorlesen zu lassen, fiel die Wahl auf das Hörbuch. Die schlichte, ungekünstelte Lesung der rührseligen Geschichte vom kleinen Cedric zieht schnell in ihren Bann. Zwar muss man sich erst daran gewöhnen, dass Vater Drombusch vorliest. Aber es ist gerade Hans Peter Korffs lakonischer Ton, das leicht knödelnde Timbre, mit dem er Schuhputzer Dick von den feinen Pinkeln sprechen lässt, das die Aufmerksamkeit auch bei jüngeren Hörern lange auf höchster Stufe hält. Und das trotz (oder gerade wegen?) der plakativen Philanthropie, die sich zur Zeit der Erstveröffentlichung 1886 in den gehobenen Kreisen der aufgeklärten Welt großer Zusprache erfreute. Geboren in Manchester, wusste Frances Burnett um die Härte des englischen Klassensystems. Später wanderte sie in die USA aus und lernte ein paar Vorzüge einer demokratischeren Gesellschaft kennen: Sie arbeitete als Journalistin und konnte sich scheiden lassen. Aber zurück zum Lord: Cedric wird unter widrigen Verhältnissen im US-amerikanischen Großstadtdschungel sozialisiert, ist aber dennoch mit edelsten Wesenszügen ausgestattet. Und warum: Weil er in seinem Leben nichts als Liebe erfahren hat! Und diese gibt er strahlenden Auges weiter, wohl portioniert mit ein wenig Kleingeld vom Opa, den er sogar aus seiner Standesdünkelstarre erlöst – und alle sind’s zufrieden (jumbo Verlag, 14,99 €, ab 5 Jahre).