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Archiv-Artikel

Richtig & falsch

Post aus Nahost (7): Iman Humaidan Junis analysiert die Sprache des Krieges, die voll von Vereinfachungen ist

„Sind Sie für oder gegen die Hisbollah“, fragte mich gestern ein Journalist. Was soll ich auf diese einfache Frage antworten? Vereinfachungen können tödlich sein, sagt mein Freund Abbass.

Ich weiß nicht, wie ich mit solchen Fragen umgehen soll. Manche ausländische Journalisten wollen gar nicht wissen, dass unsere Gesellschaft komplex ist. Für sie ist es schwer zu verstehen, dass die Hisbollah nicht Bin Laden ist, sondern für eine gesellschaftliche Gruppe steht. Es ist ihnen ein Rätsel, dass es zwischen der Hisbollah und anderen Gruppen tiefgreifende politische Konflikte gibt und diese Gruppen die Hisbollah trotzdem in die Regierung aufnahmen, weil sie glaubten, so den Frieden zu bewahren und einen Bürgerkrieg zu verhindern. Aber warum sollten sich westliche Medien mit solchen Feinheiten aufhalten? Der Begriff „Terror“ ist kürzer und deutlicher!

Haben sie schon einmal Reden von George W. Bush und seinen Leuten gehört? Ständig fallen Worte wie: richtig und falsch, gut und böse, Frieden und Terror, ein komplettes amerikanisches Wörterbuch der vereinfachenden Kategorisierung. Jede Sprache, die blind und gefühllos wird, verliert zuerst ihre Nuancen. Ironischerweise heißt auf dieser Sprache Blutvergießen „Lösung“ und Massaker „dauerhafter und endgültiger Frieden“. Diese Sprache ist zu einem Mittel geworden, tiefergehende Fragen zu unterdrücken und jeden echten Dialog zu verhindern.

Die israelische Armee sagt, sie bombardiere „Hisbollah-Ziele“. Diese Ziele sind wir, die Zivilisten. Unsere Leben, Kinder, Häuser, Autos, Büros, Straßen, unsere gesellschaftlichen und intellektuellen Aktivitäten werden zu „Hisbollah-Zielen“ gemacht. Wir sind Geiseln zwischen zwei blinden Truppen. Die Hisbollah glorifiziert das Märtyrertum und Israel tötet blind. Sie sind ein gutes Team im Spiel des Todes.

Ich habe eine Petition israelischer Intellektueller gelesen, die ein Ende dieses Krieges fordert, den Uri Avnery einen „verlierenden Zocker“ genannt hat. Gibt es jemanden, der bereit ist, diese anderen Stimmen zu hören – und unsere Stimmen?

Iman Humaidan Junis (Beirut) schreibt im Wechsel mit Ron Kehrmann (Haifa) Aus dem Englischen von Kerstin Speckner