: Klein, freiwillig, kampfbereit
BUNDESWEHR Am Montag will der Verteidigungsminister sein Konzept zur Wehrreform vorlegen. Danach wird nichts mehr sein, wie es ist
AUS BERLIN GORDON REPINSKI
Karl-Theodor zu Guttenberg hat in den vergangenen Wochen einige neue Freunde gewonnen, überraschende Befürworter, denn sie kommen aus der Opposition. Wirkliche Freunde sind es natürlich nicht, aber wenn sie über die Vorschläge des Verteidigungsministers zur Wehrdienstreform reden, dann klingt es nach Positionen, die erstaunlich nah bei denen des CSU-Mannes sind. „Das Konzept der Freiwilligenarmee hat er gut bei uns abgeschrieben“, sagt der Grüne Omid Nouripour. Ähnlich hört man es von den Sozialdemokraten.
Der schneidige Minister hat gleichzeitig einige Widersacher hinzugewonnen. Und auch hier haben sich die Lager vertauscht, denn Guttenbergs erbittertste Kritiker kommen vor allem aus seiner eigenen Fraktion. „Es gibt zurzeit keine Vorfestlegung, von niemandem“, sagt etwa CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Und auch Parteichef Horst Seehofer scheint wenig von einer Aussetzung der Wehrpflicht zu halten.
Seit den Sparbeschlüssen sind Guttenbergs Ideen in der Öffentlichkeit. Aus blankem Haushaltszwang preschte er damals vor und schlug die Aussetzung des Wehrdienstes vor. In der vergangenen Woche wurde dies dann noch konkreter: Guttenberg will nach Berichten die Armee von 250.000 auf rund 165.000 Soldaten verkleinern, die meisten davon sollen Berufssoldaten sein. Hinzu kämen 7.500 freiwillig Wehrdienstleistende. Am Montag will Guttenberg nun sein endgültiges Konzept präsentieren.
Seitdem haben sich Befürworter und Gegner der klassischen Wehrpflicht positioniert und kämpfen erbittert für die eigenen Ziele. Und auch in Bundeswehrkreisen nennt man die Reform „eine der größten Weichenstellungen“ der deutschen Verteidigungspolitik. Tatsächlich wäre die Freiwilligenarmee, deren Idee Guttenberg, FDP und Opposition grundsätzlich teilen, eine Abkehr von der Vorstellung, dass Soldaten einen repräsentativen Ausschnitt der Bevölkerung darstellen sollten.
Zwar steigt seit Jahren die Zahl der Berufssoldaten, während nur noch rund 15 Prozent eines Jahrganges als Wehrpflichtige gebraucht werden, jedoch leisten aktuell immer noch rund 40.000 Soldaten den Dienst – wenn auch seit dem 1. Juli dieses Jahres nur noch für sechs Monate. Und dieser Teil, der „Spiegel der Gesellschaft“, soll nun wegfallen. Verändert sich damit auch der Charakter der Bundeswehr?
„Ich halte von der ‚Staat im Staat‘-These nichts“, sagt der SPD-Parteilinke Björn Böhning, selber ein Gegner der Wehrpflicht. Um dem entgegenzuwirken, will Böhning die Ausbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr verbessern, die Rahmenbedingungen attraktiver machen und damit quer durch die Bevölkerung Menschen für den Dienst gewinnen. Ähnlich fordert es der Grüne Nouripour: „Da geht es auch um Kinderbetreuung“, sagt er.
Kritik gibt es von der Opposition dann eher an der Größe der Armee und daran, dass der Minister die Einsparungen im Fokus hat. „Wenn Guttenberg so tut, als ob jetzt endlich auch mal beim Militär gespart werden solle, ist das Volksverdummung“, sagt der Verteidigungsexperte der Sozialdemokraten, Hans-Peter Bartels, und verweist auf die Kürzungen der vergangenen Jahrzehnte.
Mindestens 200.000 Personen sollte die Bundeswehr seiner Ansicht nach zählen, rund 35.000 mehr als nach den Plänen des Ministers. Rund 25.000 sollen freiwillig Wehrdienstleistende sein, die sich aus der Musterung des Jahrgangs ergeben. „Wir haben jahrelang während des kalten Krieges damit gut gelebt, dass andere mit uns solidarisch waren“, sagt Bartels, „europäische Sicherheit heißt, sich jetzt ebenso solidarisch zu zeigen“. Die vorliegenden Konzepte aus dem Verteidigungsministerium würden den Charakter der Bundeswehr verändern: „Eine zu kleine Armee wäre dann nur noch auf Auslandseinsätze ausgerichtet“, so Bartels, „die Bundeswehr würde zu einer Expeditionsarmee“.
Die „Interventionsfähigkeit“ einer kleinen Armee werde leichter, denkt auch der Friedensforscher Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen, „aber es wird eine Mentalitätsveränderung geben – die Soldaten stellen sich dann noch klarer auf Krieg als Teil ihrer Arbeit ein“. Wenn man die Zwänge der internationalen Sicherheitspolitik akzeptiere, sei es dennoch konsequent, die Armee umzustellen: „Wenn man diesen Anforderungen entsprechen will, müsste die Bundeswehr auch für die Einsätze gerüstet sein“, sagte Hippler.
Die Frage sei nur, ob „wir das Maß an internationalem Engagement und Einfluss nicht auch anders übernehmen könnten“, so der Wissenschaftler. „Wenn man bei der Flutkatastrophe in Pakistan zum Beispiel ein Vielfaches der bisherigen finanziellen Hilfe bereitstellen würde, könnte auf diese Weise eine ebenso beeindruckende internationale Führungsrolle übernommen werden, die ebenfalls direkt in Krisengebieten wirkt“, so Hippler.
„Es würde zudem nur einen Bruchteil der Kosten des Militärs ausmachen.“