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Archiv-Artikel

Fotoalbum der Vergessenen

BLICK Thomas Allen Harris zeigt in „Through a Lens Darkly: Black Photographers and the Emergence of a People“ eine Fotogeschichte aus afroamerikanischer Sicht (Panorama)

Frederick Douglass war ein ausgesprochen schöner Mann. Geboren 1818 in der Sklaverei in Maryland, gelang es ihm nach seiner Flucht zu einem Schriftsteller und berühmten Redner gegen die Sklaverei zu werden. Mit über 100 fotografischen Porträts, die ihn in gut geschnittenen Jacketts elegant, gebildet und im Gestus des großbürgerlichen Intellektuellen zeigen, war er wahrscheinlich der am meisten fotografierte Afroamerikaner des 19. Jahrhunderts, vermutet Thomas Allen Harris in seinem Film über die Geschichte der afroamerikanischen Fotografie, „Through a Lens Darkly: Black Photographers and the Emergence of a People.“

Frederick Douglass ist dem Filmautor nicht nur deshalb so wichtig, weil schon seine Eltern ein Porträt des einflussreichen Aframerikaners besaßen, sondern weil er dessen Weg ins Fotoatelier als Anfang einer Politik begreift, die eben auch über Bilder ausgetragen wird: Die Selbstfindung einer schwarzen amerikanischen Identität war immer auch eine Frage der Bildproduktion.

Eine weitere wichtige Figur für Harris’ Film ist deshalb Booker T. Washington, auch er noch als Sklave 1856 geboren, wurde er als Pädagoge, Sozialreformer und Kämpfer für die Rechte der Afroamerikaner bekannt. Im Jahr 1904 veranlasste er, dass zur Weltausstellung in Paris eine Fotoausstellung über die „Black Race“ geschickt wurde, um ihre Emanzipation, ihren Fortschritt und sozialen Aufstieg vorzustellen. Die dort dann aber auf die Völkerschauen traf, die exotisierende Zurschaustellung kolonialisierter Völker.

Harris erzählt seine Geschichte nicht allein, er erzählt sie zusammen mit FotohistorikerInnen und vielen FotografInnen. Carrie Mae Weems ist dabei und redet über den Schrecken und die Trauer beim Betrachten von Postkarten, die Lynchmorde von Weißen an Schwarzen zeigen, oder inszenierte Stereofotografien von schwarzen Hühnerdieben, oder kostbar gestaltete kleine Alben mit Bildern nackter Sklaven, dem Voyeurismus ausgeliefert. Sie hat 1996 in ihrer Arbeit „From Here I Saw what Happend And I Cried“ solche Bilder bearbeitet.

Der Film selbst präsentiert sich wie ein Familienalbum, eine Familie der Suchenden, die es als ihre Verantwortung empfinden, das Gespräch mit den ihnen Vorausgegangenen nicht abreißen zu lassen, nach dem Lücken im Fotoalbum zu fragen, der Vergessenen zu gedenken. Der Ton der Erzählung ist deshalb gelegentlich etwas pathetisch, sie befinden sich alle auf einer Mission für ihre Geschichte und deren Sichtbarkeit.

Vor allem aber ist diese Geschichtsstunde von neunzig Minuten ungeheuer vollgepackt. Der Blick würde so gerne oft länger verweilen, sich in alte Albumsbilder von Familien vertiefen. Aber wie die schwarzen amerikanischen Soldaten, die sich in ihren Uniformen fotografieren ließen, „vom Opfer zum Befreier“ geworden, marschieren die Bilder an einem vorbei, immer schon von mehr als einer Stimme kommentiert.

KATRIN BETTINA MÜLLER

■ 15. 2., Cubix 7, 17.30 Uhr