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Archiv-Artikel

Schön und schrecklich

GLÜCK Sie tuscheln, kichern, küssen. Wie lange hält, was sie verbindet? Eine Fotoreportage über Jugendliche, die lieben. Zum ersten Mal

Sie ist unschuldig, die erste Liebe, weil sie noch nichts von der Enttäuschung weiß und von der Vergänglichkeit, sagt die Fotografin Annette Hauschild. Das ist das Schöne, das Leichte daran. Um dieses Gefühl zu fotografieren, zu konservieren, ist sie an Orte gegangen, an denen sich Jugendliche treffen: einen Schulhof in Berlin-Mitte, die Disco Vegas, den Alexanderplatz oder das Einkaufszentrum Eastgate in Hellersdorf.

Wo die Jüngsten tuscheln, zwei Freunde mit den Augen flirten, wo Pärchen nach dem Billardspielen knutschen und Mädchen euphorisch über Plätze springen.

Schön und schrecklich sind Jugendliche, sagt Annette Hauschild, immer beides. Und auch die Liebe sieht spielerisch aus. Sie ist aber ernst. Deshalb war es so einfach, auf die Jugendlichen zuzugehen. Sie hätten sofort verstanden, warum das Thema wichtig ist. Annette Hauschild hat sich auch an sich erinnert, an die Gefühle von damals. Diese Euphorie, die nie wieder so unschuldig war.

Von den meisten kennt sie die Namen nicht. Sie weiß nicht, was aus diesen Lieben geworden ist. Aus dem Paar auf der weißen Couch in einem Jugendzentrum. Dem Mädchen, das sich hinter einem Pony versteckt und auf ihr Handy sieht. Oder aus dem Jungen mit dem Knutschfleck aus der Disco, der in den Zeigefinger seiner Freundin beißt.

Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, schrieb Rainer Maria Rilke in seinen „Duineser Elegien“. Das Paar, das sich 2007 am Rande des Einkaufszentrums in Hellersdorf noch in die Augen schaut und sich an den Händen hält, ist Jahre später längst getrennt. Als Annette Hauschild bei ihnen anruft, spricht das Mädchen eher abfällig über den Jungen. Die Geschichte muss traurig geendet haben: Die beiden hatten keinen Kontakt. Ernüchternd war das, sagt Annette Hauschild, weil in einem Bild die Liebe so festgehalten wird und nicht vorstellbar scheint, dass sich das je ändern würde. Nur im Blick des Jungen liegt Sehnsucht – eine Ahnung von Vergänglichkeit.

STEFFI UNSLEBER

Annette Hauschild: „First Love“. Die Fotografin, Jahrgang 1969, ist Mitglied der Agentur Ostkreuz. Ihre Arbeiten sind regelmäßig in Ausstellungen und internationalen Magazinen zu sehen. Sie lebt und arbeitet in Berlin