: „Etwas Positives hinterlassen“
TRAUERKULTUR Die Hamburger Bestatterin Regina Koop hat Muskelschwund und den Tod somit ständig in ihrem Leben. Sie findet es wichtig, mit Sterbenden deren Begräbnis zu besprechen. Mit der Familie können sie das nicht
■ ist gelernte Krankenschwester und hat 2007 gemeinsam mit ihrem Mann das Institut „Rosenkranz Bestattungen“ eröffnet. Foto: privat
INTERVIEW KATHARINA GIPP
taz: Frau Koop, Sie haben lange als Managerin in der Immobilienbranche gearbeitet und sind nun Bestatterin. Warum?
Regina Koop: Um diese Entwicklung zu erklären, greife ich ein wenig zurück. Ich habe mein Diplom als Krankenschwester gemacht, wollte in die Entwicklungshilfe gehen und Gutes tun. 14 Tage vor meiner geplanten Reise nach Belfast habe ich aber meinen Mann kennengelernt und beschlossen zu bleiben. Mit 21 habe ich geheiratet.
Hat das Ihre Lebensziele sehr verändert?
Im Grunde genommen schon. Meine Schwiegereltern verstarben kurz nach unserer Hochzeit, und ich musste fortan die kleinen Geschwister meines Mannes versorgen und dessen Studium finanzieren. Ich wurde Immobilienkauffrau, um mehr Geld zu verdienen. Oft habe ich einfach reagiert und dabei vergessen, was ich eigentlich bin. Der Beruf Bestatter ist wie ein Endpfeiler in meinem Leben.
Das Thema Tod war für Sie als Krankenschwester ja kein Neuland.
Nein. Als Krankenschwester wirst du mit dem Tod konfrontiert. Aber das Thema gehörte ohnehin zu meinem Leben, seit ich mit 19 erfuhr, dass ich Muskelschwund habe. Die Ärzte sagten mir, dass ich die 40 wahrscheinlich nie erreichen würde.
Wie äußert sich Ihre Krankheit?
In meinem Körper wandelt sich Muskulatur in Bindegewebe um. Als Attrappe sehe ich zwar fit aus, aber die kürzesten Schritte bereiten mir Schmerzen. Ich habe gelernt, damit umzugehen, und dass der Tod dazugehört. Man sollte aber das Leben so leben, wie man möchte, und versuchen, etwas Positives zu hinterlassen.
Wann haben Sie beschlossen, der Immobilienbranche den Rücken zu kehren?
Nach rund 25 Jahren im Immobiliengeschäft, begann ich umzudenken. Eine Bestatterin fragte, ob ich für sie arbeiten wolle. Ich habe es ausprobiert, und da ich merkte, dass mich das sehr interessierte, habe ich meine Stelle im Immobilienbüro gekündigt. Da hatte es sich die Bestatterin mit dem Jobangebot aber schon anders überlegt.
Kam für Sie ein Weg zurück infrage?
Nein. Ich war zu dem Zeitpunkt schon sechs Monate aus dem Beruf. Dann lernte ich meinen jetzigen Mann kennen. Er hatte gerade den Tsunami überlebt und seine Frau und seinen Sohn verloren. Er sprach über seine Erlebnisse, ich über meine, und wir bedauerten beide, dass man in Deutschland nicht offen über den Tod sprechen kann.
Ein Grundstein für eine Geschäftsidee?
So in etwa. Ich wusste aus meiner Zeit als Krankenschwester, wie einige Bestatter mit Verstorbenen umgingen, und dachte, so will ich das nicht haben. Ich habe bemerkt, dass ich jemand bin, der überhaupt nicht in Eiche Rustikal passt. Ich will nicht, dass meine Kinder später vor einem Sarg stehen, der keinerlei Bezug zu ihrer Mutter hat. Trotz aller modernen Bestattungsformen wird man heute in puncto Beratung oft alleine gelassen. Wenn man weiß, dass man bald sterben wird, kann man kaum mit jemandem über das sprechen, was man sich wünscht oder wovor man Angst hat. Daher ist das frühzeitige Gespräch mit den Menschen über das Tabuthema Tod zur wichtigsten Säule meines Unternehmens geworden.
Gibt es Menschen, die über ihre Beerdigung reden möchten, obwohl ihr Tod wahrscheinlich noch fern ist?
Gottseidank immer mehr. Nach dem Gespräch mit mir sind die meisten sehr erleichtert, weil sie das Gefühl haben, dass jemand auf das Acht gibt, was nach dem Tod mit ihnen geschieht.
Läge es nicht näher, das mit Angehörigen zu besprechen?
Ich habe die Erfahrungen gemacht, dass man mit nahen Angehörigen nicht über den eigenen Tod reden kann. Die wollen dir alle nur Mut machen. Und wenn es wirklich ans Sterben geht, bist du richtig allein. Viele wollen aber auch ihre Bestattung eigenverantwortlich regeln. Ihnen ist wichtig, dass man an sie denkt. Sie drücken mich und fragen „Holen Sie mich auch ab?“. Dann sag ich ja.
Welches waren Ihre ersten Schritte zur Geschäftseröffnung?
Ich bin ins eiskalte Wasser gesprungen und habe bei der Stadt eine Prüfung zur Bestatterin abgelegt. Dann hab ich einen kleinen Laden angemietet, am Konzept gefeilt und drei Monate später eröffnet.
Was genau tun Sie nach einem Todesfall?
Ich hole den gewünschten Sarg aus dem Lager und fahre zu dem Verstorbenen nach Hause, wo meist die Angehörigen schon warten. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. Ich gebe ihnen alle Zeit, die sie brauchen. Dann kommen die Fahrer und betten den Verstorbenen um. Dabei können die Angehörigen persönliche Gegenstände mit hineinlegen und den Sargdeckel gemeinsam mit mir schließen. Der klassische Bestatter dagegen schickt Fahrer los, die die Familie gar nicht kennen und ihren Job rasch erledigen. Dabei ist das Zeitgeben so wichtig: Es ist schließlich eine Situation, die du nicht wiederholen kannst. Wenn jemand gestorben ist, muss erst einmal nichts erledigt werden. Dann ist Zeit für Trauer.
Gibt es Beileidsfloskeln, die Sie nie äußern würden?
Sätze wie „Alles wird gut“ oder „Gehen Sie doch mal wieder unter Menschen“ sind unglaublich banal. Wichtig ist es, Fragen zu stellen, die auch weh tun können, wie „Denken Sie oft an ihn?“
Stumpft man bei der Arbeit mit Toten irgendwann ab?
Eine gewisse Distanz halte ich für gesund. Für mich ist jeder Verstorbene eine Herausforderung. An bestimmte Dinge, wie zum Beispiel Gerüche, gewöhnt man sich aber mit der Zeit. Was meinen Respekt im Umgang mit den Verstorbenen betrifft, werde ich hoffentlich nie abstumpfen.
Gibt es Bestattungswünsche, die Sie nicht erfüllen?
Ich möchte verhindern, dass man das Gefühl hat, auf einer riesigen Party zu sein anstatt auf einer Bestattung. Eine Mischung ist gut. Es darf geweint werden, es darf gelacht werden. Schwierig fände ich es aber, einen Toten in einen Diamanten einzuäschern. Denn was passiert, wenn der Stein verloren geht oder vererbt werden soll? Wer soll Otto als Diamanten dann bekommen?