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Archiv-Artikel

berliner szenen Weltgeist im Käfig

Hallo Depression

Der Papagei stammt von den Philippinen. Ein eleganter weißer Vogel mit einer gelben Haube am Kopf. Vogelfänger waren mit großen Netzen unterwegs gewesen, um Tiere für den internationalen Zoofachhandel zu fangen. Der Papagei verfing sich in den Fäden eines Netzes und brach sich einen Flügel. Die Vogelfänger konnten nur gesunde Tiere gebrauchen. Sie klaubten den Papagei aus dem Netz und warfen ihn beiseite. Ein deutscher Tourist hatte die Szene beobachtet und freundete sich mit dem lädierten Papagei an. Er schiente ihm den kaputten Flügel und trug ihn in sein Hotelzimmer. Es dauerte nicht lange, bis der Papagei sich in den Mann verliebte. Der Mann musste ihn mitnehmen in seine deutsche Wohnung, nach Berlin.

Es ging ziemlich lange gut. Der Papagei lernte sprechen. Das Wort Hallo gefiel ihm besonders, er wiederholte es oft. Der Mann war zufrieden mit seinem schönen Haustier. Bis er sich mit einer Frau verheiratete. Der Papagei musste verschwinden, da er mit der Liaison nicht einverstanden war.

Seither lebt der Papagei bei anderen Leuten. Er wohnt in einem großen Käfig in einem Zimmer unterm Dach. In dem Zimmer steht auch ein Radio, den ganzen Tag läuft Deutschlandfunk. Der Papagei hört zu. Es geht meistens um ernste Themen: um den Nahostkonflikt, Koalitionsverhandlungen in der Ukraine, Menschenrechtsverletzungen in China. Auch in der Innenpolitik wird nichts besser: Die Gesundheitsreform ist eine Katastrophe, das Bildungssystem am Ende, es wird nicht genug für den Gewässerschutz getan. Die Welt draußen macht einen ziemlich bedrohlichen Eindruck. Der Papagei sitzt auf seiner Stange. Manchmal ruft er Hallo. Nachts sendet das Radio Jazzmusik.

KIRSTEN KÜPPERS