Rauchverbot spaltet Gastro-Zungen

Während der Gaststättenverband einerseits für freiwillige Qualmfreiheit wirbt, warnt er andererseits vor den fatalen Folgen gesetzlicher Regeln. Von rund 100.000 Restaurants sind 861 als rauchfrei registriert – von McDonald’s bis zum Sternehotel

Restaurants mit Rauchverbot rechnen sich Chancen bei Familien aus

VON GEORG LÖWISCH

Im Gasthaus „Sonne“ im südbadischen Endingen-Amoltern herrscht absolutes Rauchverbot. Das wäre inzwischen nicht mehr so besonders, in einer Zeit, wo ein Politiker nach dem anderen rauchfreie Restaurants fordert. Aber in der „Sonne“ darf schon seit drei Jahrzehnten nicht mehr geraucht werden. Der Vater des heutigen Wirtes Kurt Sacherer hat 1975 ein Verbotsschild an den Eingang gehängt. „Er war halt vorher ein starker Raucher“, sagt der Sohn. „Und dann ist er sehr krank geworden.“

Am Anfang haben sich viele gewundert über das Verbot, manche fanden es lächerlich. Aber die Sacherers haben gut gekocht, Spezialitäten aus dem Schweizer Engadin, Kaiserstühler Spargel ab April und auch vegetarische Speisen. So haben sich die Gäste an das Rauchverbot gewöhnt. Es ist so selbstverständlich geworden, dass Kurt Sacherer sich nicht brüstet, er hat sich nicht einmal unter www.nichtraucherfuehrer.de eingetragen, wo der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Restaurants aufführt, die mindestens ein Drittel Nichtraucherplätze anbieten.

Der Verband wirbt gerade kräftig für rauchfreie Restaurants. Das klingt zuerst mal merkwürdig, weil er ja ein gesetzliches Rauchverbot bekämpft. Aber der Verband will zeigen, dass genug Rauchfreiheit auch ohne Verbot erreicht werden kann. „Je höher die Zahl der Betriebe, desto eher lässt sich ein gesetzliches Rauchverbot verhindern“, sagt Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges. Sie wird in den nächsten Wochen versuchen, möglichst viele Betriebe einzusammeln, die rauchfreie Zonen haben: Über die Mitgliederzeitung, mit Flugblättern, sie wird sogar Studenten zu den Wirten schicken.

Hartges beschäftigt sich seit 15 Jahren mit dem Thema. Bisher konnte sie ein Rauchverbot immer abwenden, zuletzt mit einer Selbstverpflichtung der Gaststätten, bis März 2007 in zwei von drei Restaurants 40 Prozent der Plätze zu Nichtraucherplätzen zu machen. Jetzt muss Hartges also einerseits für Rauchfreiheit werben und sagen, dass das „Feedback durchweg positiv“ ist. Andererseits muss sie in die Medien bringen, dass ein Verbot die Kneipenkultur zerstören würde, dass die Raucher dann „in der Eiseskälte“ vor der Tür stehen, ja dass Bars und Kneipen in Ländern mit Rauchverbot wie Irland oder Italien angeblich Geld verloren hätten. „Ein gesetzliches Rauchverbot in Deutschland würde definitiv zu Umsatzeinbußen führen und für die eine oder andere Kneipe zum endgültigen Aus.“

Im Nichtraucherführer listet die Dehoga 5.420 Gaststätten auf, die mindestens 30 Prozent qualmfreie Plätze anbieten. Davon gilt in 861 Betrieben absolutes Rauchverbot, an 2.059 Orten gehören die Hälfte aller Plätze zur rauchfreien Zone. Aber es gibt 90.000 bis 100.000 Restaurants mit mehr als 75 Quadratmeter Fläche, da hat Ingrid Hartges noch gut zu tun.

In den 80er- und 90er-Jahren, sagt sie, habe es noch rauchfreie Betriebe gegeben, die eingegangen seien. „Das ist jetzt anders.“ Der „Sonne“ von Kurt Sacherer scheint es gut zu gehen, das große Fachwerkhaus ist aufwändig renoviert, der Vorplatz gepflegt.

Restaurants mit 100 Prozent Rauchverbot rechnen sich mehr Chancen bei Familien aus. Zum Beispiel McDonald’s. Wenn eine Filiale einen Spielplatz hat, ist sie oft auch eine von den 30 Prozent der Burger-Buden, in denen absolutes Rauchverbot gilt. „Die Erfahrungen dort sind sehr positiv“, sagt ein Firmensprecher. Die Café-Kette Starbucks startete 2002 gleich ohne jeden Aschenbecher in den deutschen Markt. „Kaffee ist ein empfindliches Produkt“, sagt eine Sprecherin.

Aber es gibt auch Sterne-Restaurants mit absolutem Rauchverbot. Wenn das vornehme Berliner Hotel Adlon am Brandenburger Tor in zwei Wochen sein französisches Restaurant wieder öffnet, ist dort Tabak tabu. Raucher müssen in den Pausen der Fünf- bis Sechs-Gänge-Menüs in einen Vorraum. Aber: Im Erdgeschoss hat das Adlon noch ein zweites Restaurant mit Raucherplätzen. Wer da keinen Platz findet, kann das Essen aufs Zimmer bestellen. Aufs Raucherzimmer.

tazzwei SEITE 14