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Archiv-Artikel

neues aus neuseeland: schön war die heimat von ANKE RICHTER

Abschied tut weh. Der Sitznachbar fegt mit dem Ellenbogen mein Essenstablett herunter, und ich habe noch 23 Flugstunden vor mir. Das ist die Strafe für Republikflucht. Mit kulinarischen Tierversuchen auf dem Schoß und Wehmut im Herzen lasse ich Deutschland unter mir. Bilanz nach fünf Wochen Heimaturlaub in acht Städten: Die Stones-Tournee ist ein Dreck dagegen. So viele Fähnchen bekommen die nirgendwo zu sehen.

Wochenlange Spiegel-Online-Lektüre hatte mich eingestimmt. Ungläubig las ich, dass mein buckliges Deutschland plötzlich cool ist. Fremde lieben es jetzt nicht nur für seine Autobahnen, sondern für seine Ausgelassenheit – vorausgesetzt, sie sind nicht zufällig dunkelhäutig und in einem Dorf in Sachsen, was ihre Lebenserwartung drastisch verringert.

Das neue D-Gefühl tat meiner wunden Teutonenseele gut. Seit Jahren leidet sie darunter, dass unsereins im Exil lediglich mit Bierkrug, Hakenkreuz und Socken in Sandalen assoziiert wird. So wie der gemeine Bundesbürger bei Neuseeland nur an Schafe und „Herr der Ringe“ denkt, was es genauso exakt trifft. „Es stimuliert den eigenen Patriotismus ungemein, wenn man das eigene Land ständig gegen Klischees zu verteidigen hat“, schrieb Matthias Matussek, und ausnahmsweise gab ich ihm recht. Immerhin wurde der Mann in London mit Hitlergruß bedacht. Das muss man dem Armen nachsehen.

Meine Reise in die Fröhlichkeit erreichte nach Betreten deutschen Bodens kurz einen Tiefpunkt, als der Beamte an der Passkontrolle ohne das Verziehen der Gesichtsmuskulatur „Personalausweis!“ hervorpresste. Es klang nach Schlagstock und Rasterfahndung – ein sentimentaler Moment. Ähnlich verlief der Besuch beim Bäcker, wo ich um „drei von diesen Mehrkornbrötchen“ bat. Die Verkäuferin verzog das Gesicht säuerlich bis überheblich und wies mich scharf zurecht: „Das sind Dinkelbrötchen!“ Selten habe ich ein Geschäft so kleinlaut verlassen, und es war nicht mal in Hamburg. Draußen wehten Deutschlandfähnchen, da fiel das Gesicht der Dinkelbrötchenexpertin in der Masse gar nicht mehr auf.

Angenehm fand ich, wie international mein Land geworden ist. Ob „Rambo’s Treff“ (Kiel), „Herta’s Waschsalon“ (Gießen) und „Mehtin’s Dönerbude“ (Köln) – wer den Apostroph so massiv einsetzt, ist deutlich anglophil. Da fällt „Dr. Müller Sexshop“ in Frankfurt aus dem Rahmen, eingebettet zwischen Beate-Uhse-Laden und Dolly-Buster-Center. Dass man sich bei Müllers den Apostroph spart, liegt wohl daran, dass oben drüber der Eichborn Verlag sitzt und für Leitkultur sorgt.

Nach dem fünften Bahnhof sieht Deutschland recht homogen und Köln recht homo aus. Dort kopulierten sie beim CSD angeblich auf den Festwagen, was mein Dinkelbrötchentrauma verdrängte. Irgendwann wurden die Fahnen weniger. Die am häufigsten gehörten Sätze waren: „Bleibt ihr jetzt immer da drüben?“, „Die WM war wie Karneval“ und „Kennst du Bionade?“

Mit einer kleinen Träne im Augenwinkel setzte ich mich ins Flugzeug, winkte den blühenden Landschaften nach und träumte von „Anke’s Andenkenladen“, vollgestopft mit Bionade und Fähnchen.