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Archiv-Artikel

Von Zombie-Möhren und leberkranken Schweinen

Biobauern haben weitaus stärker als ihre konventionellen Kollegen mit Parasiten, Würmern und Unkraut zu kämpfen. Gegenmittel fehlen bisher

Denkt der Verbraucher an Biobauernhöfe, kommen ihm gesunde und glückliche Tiere in den Sinn und zufriedene, entspannte Landwirte. Dass dies nicht unbedingt der Realität entspricht, zeigt ein Blick auf die Arbeit ökologisch wirtschaftender Höfe. Weil sie keine Chemie einsetzen wollen und dürfen, machen ihnen vor allem Parasiten das Leben schwer und führen häufig zu immensen finanziellen Einbußen.

Im Boden lebende Fadenwürmer verursachen immer mehr Schäden, etwa im Möhrenanbau. Darum waren diese Parasiten kürzlich Mittelpunkt eines Fachgesprächs in der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Münster. Sind die Pflanzen mit dem winzigen Wurm befallen, erntet der Bauer gedrungene Karotten, die mehrere Beine haben und mit Pusteln übersäht sind. Solche „Zombies“ lassen sich nicht verkaufen, weil sie nicht schön aussehen – für die Gesundheit sind sie jedoch ungefährlich.

Meloidogyne hapla, die Nördliche Wurzelgallennematode, befällt auch anderes Wurzelgemüse, Salat, Kartoffeln, Klee oder Lupinen – sie nistet sich in insgesamt über 550 verschiedenen Wirtspflanzen ein. Der Fadenwurm befällt die Wurzeln junger Pflanzen. Diese bilden daraufhin Riesenzellen.

Warum die Würmer gerade im Biolandbau so stark vertreten sind, erklärt Johannes Hallmann von der BBA: „Fruchtfolgen mit kurzen Brachzeiten, die Gründüngung mit Klee oder Leguminosen und unzureichende Unkrautbekämpfung öffnen den Vielfraßen Tür und Tor. Sie finden immer etwas zu essen.“ Da es in Deutschland keine zugelassenen biologischen Mittel gegen Nematoden gibt, heißt es: Vorbeugen mit Nematoden-Management. Dafür muss der Bauer allerdings auf Pflanzen umsteigen, die unempfindlicher gegen den Wurmangriff sind, etwa auf Getreide.

Dieses ist aber vielleicht gerade beim Verbraucher nicht gefragt. Der Markt wandelt sich immer wieder spontan. Sind die Pflanzen einmal befallen, „ist das ein Desaster für den Landwirt“, sagt Hallmann. Der ganze Boden muss dann ausgehungert werden, um den Würmern ihre Nahrungsquellen zu entziehen.

Auch Biorinder und Bioschweine bleiben von Parasiten nicht verschont. Laut einer aktuellen Untersuchung der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BfEL) zeigten ökologisch gehaltene Tiere häufiger durch Würmer verursachte Leberschäden als Hightechtiere.

Der Schweinebauer fürchtet etwa Spul-, Peitschen- oder Knötchenwürmer. Die Tiere wachsen dann schlechter und werden teilweise unfruchtbar. Jedes dritte Bioschwein soll davon betroffen sein.

Weiter treten im Biostall laut einer Untersuchung der Universität Göttingen Euterentzündungen bei Milchkühen, Lahmheiten und Stoffwechselstörungen ebenso oft wie bei konventionell gehaltenen Tieren auf. Euterentzündungen finden sich etwa bei jeder dritten Milchkuh, Lahmheiten bei 18 Prozent.

Gerade weil der Biobauer nicht vorsorgend Medikamente verabreichen darf und seine Tiere mit den Fäkalien von Vögeln oder Mäusen in Kontakt kommen können, muss er besonders sorgfältig arbeiten.

Vernachlässigt er etwa die Reinigung der Liegeflächen, kommt es gehäuft zu Lahmheiten bei den Tieren. Doch diese Mehrarbeit schafft der Biobauer häufig nicht – Überlastungen sind in der Biobranche üblich. Zudem verlangt artgerechte Haltung auch spezielle Ställe, die sich nicht jeder Bauer leisten kann.

„Die Tiergesundheit ist und bleibt der zentrale Problembereich im Ökolandbau“, berichtete kürzlich das BfEL. In den Verbänden ist man sich dieser Probleme bewusst. „Gemessen an den hohen Standards, die wir uns setzen, treten spezielle Krankheiten immer noch zu häufig auf“, sagt Sonja Vollmer, Pressefrau bei Bioland. Der Verband gibt an seine Mitglieder ein Handbuch aus, das detailliert über das „Tiergesundheitsmanagement“ informiert. Fachberater helfen den Landwirten vor Ort.

Immer wieder wird kritisiert, dass hier auch mehr Wissenschaft gefragt wäre, um die Ursachen der Krankheiten besser zu verstehen. Aber in die Erforschung von ökologischer Tierhaltung fließen nur 15 Prozent des europaweit investierten Geldes, während dem Pflanzenbau fast 50 Prozent zukommen.

KATHRIN BURGER