: Die Bevölkerung hat das Nachsehen
betr.: „Kriege anderswo: In Afghanistan sind die Taliban auf dem Vormarsch“, taz vom 25. 7. 06
Schade, dass der Artikel die Chance vertan hat, ein etwas differenzierteres Bild von der Situation in Afghanistan zu zeichnen. Dabei fängt er ganz vielversprechend an. Sven Hansen verweist im zweiten Absatz auf einen aktuellen Bericht der Organisation Human Rights Watch (HRW) zu den Anschlägen auf Bildungseinrichtungen in Afghanistan.
Das Interessante an diesem Bericht ist, dass – abweichend von der üblichen Berichterstattung – nicht allein die Taliban als Ursache für die Anschläge ausgemacht werden. HRW identifiziert insgesamt drei Gruppen, die ein Interesse an der Verunsicherung der Bevölkerung haben: zum einen die Taliban und Unterstützer von Parteien ähnlicher Orientierung. Zum anderen aber auch regionale Warlords und Kriminelle aus dem Drogengeschäft. Diesen drei Gruppen ist gemein, dass sie – jeweils aus unterschiedlichen Interessen – die Regierung aus ihrem Einflussbereich fernhalten wollen. Und, da Schulen auf dem Land oftmals der einzige, auf jeden Fall aber der sichtbarste Repräsentant der Regierung sind, konzentrieren sie ihre Anschläge auf Bildungseinrichtungen.
Womit auch erklärbar ist, dass sich die Anschläge mittlerweile von den bekannten Taliban-Brennpunkt-Provinzen auf sehr viel mehr Provinzen ausgeweitet haben. Der Bericht von HRW verweist darüber hinaus auch auf ein Versagen der internationalen Truppen, da diese nicht das vorrangige Interesse haben, die Sicherheit der Bevölkerung herzustellen, sondern eigene militärische Ziele verfolgen. Damit hat die Bevölkerung, die sich in der absoluten Mehrheit nach nichts mehr als nach Frieden, einer sicheren Existenz und Bildung für ihre Kinder sehnt, das Nachsehen. DIETLINDE QUACK, Freiburg